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„Wer demonstriert da gegen wen?

Auszüge aus der Analyse von Andreas Wehr - Zu den angekündigten Protesten gegen die G20

www.NachDenkSeiten.de - die kritische WebsiteAm 7./8. Juli 2017 findet der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Gruppe der Zwanzig (G20) in Hamburg statt. Deutschland hat in diesem Jahr den Vorsitz inne und ist daher Gastgeber. Im vergangenen Jahr traf man sich im chinesischen Hangzhou

Globalisierungsgegner, die Friedensbewegung und Parteien haben aus diesem Anlass zu Demonstrationen aufgerufen. Das Motto lautet: „Wer die G20 einlädt, lädt auch den Protest mit ein“. In einigen Aufrufen wird gefordert, das Treffen unmöglich zu machen. Auch Lucas Zeise ruft dazu auf, „den Versuch zu machen“ den von ihm als „Show“ empfundenen Gipfel „zu verhindern“.

Es ist das Anliegen der Protestierenden, eine Kontinuität zwischen den Demonstrationen gegen die Treffen der Gruppe der G7 bzw. G8 und dem jetzigen Gipfel der G20 herzustellen. Die Proteste gegen die G7/8 von Seattle 1999, Genua 2001, Heiligendamm 2007 und 2015 auf Schloss Elmau werden deshalb in Erinnerung gerufen. In Hamburg will man daran anknüpfen.

Doch ist eine solche Kontinuität überhaupt gegeben? Dies würde voraussetzen, dass man die G20 mit der Gruppe der Sieben, der G7, gleichsetzen kann. Das versucht Zeise, indem er die G20 als bloße „Erweiterung“ der G7 ansieht. Schon der Titel seines Artikels ist irreführend: „Kurze Geschichte der G20. Was die Mächtigen seit 40 Jahren auf den Weltwirtschaftsgipfeln verabreden.“ Doch die G20 ist ein eigenständiges internationales Forum, das es erst seit 2009 und nicht „seit 40 Jahren“ gibt.

Der „Gruppe der Zwanzig“ gehören 19 Staaten sowie die Europäische Union an. Es sind dies die Länder Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die USA.

Die G7 wird dagegen ausschließlich von den führenden Industriemächten des sogenannten „Westens“, der stets politisch und nicht geografisch definiert wird, gebildet. Es sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA. Die G7 ist auch nicht – wie es Zeise suggeriert – in der Gruppe der G20 aufgegangen, sondern ist weiterhin sehr lebendig. Jährlich finden G7-Gipfel statt, der nächste am 26./27. Mai 2017 unter italienischer Präsidentschaft in Taormina auf Sizilien.

Die G7 versteht sich als exklusiver Club „liberaler Demokratien mit etablierten Marktwirtschaften“. Da der G20 im Gegensatz dazu auch Entwicklungs- und Schwellenländer angehören, soll dieses Gremium denn auch die G7 nicht ersetzen. Vorübergehend, von 1998 bis 2014, gehörte diesem erlauchten Club als achtes Mitglied auch Russland an. Doch nach der Eingliederung der Krim wurde das Land aus diesem Kreis wieder ausgeschlossen. Auch aus der G20 versuchten die westlichen Staaten Russland zu verdrängen. Australien, das 2014 den Vorsitz in der G20 führte, war damit beauftragt worden. Dies gelang aber nicht, denn Ausschlüsse können dort nur einstimmig beschlossen werden, und für eine Entfernung Russlands gaben die Schwellenländer ihre Stimmen nicht her.[5] Dem „Westen“ wurde damit eine Abfuhr erteilt. Auch Gastgeber Deutschland muss sich als vorsitzführendes Land an die Regeln halten. Dem russischen Landwirtschaftsminister hatte es daher im Januar 2017 die Teilnahme an der G20-Agrarministersitzung zu gestatten, obwohl ihn Berlin als unerwünschte Person führt und mit Einreisesperre belegt hat. Es macht eben einen Unterschied, ob Länder wie China, Indien, Brasilien oder Südafrika mit am Tisch sitzen oder der „Westen“ unter sich ist.

Die G20 sind somit weder eine „Erweiterung“ der G7, noch war ihre Etablierung ein Geschenk des Westens an die übrige Welt. Sie entstand vielmehr aus der Not der etablierten Mächte im Jahr 2008. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise war klar geworden, dass man ohne Hilfe Chinas und anderer Schwellenländer die zweite Weltwirtschaftskrise nicht bewältigen können würde. Nur deshalb war man in den westlichen Hauptstädten bereit, der Forderung Pekings nach Etablierung der G20 auf Ebene der Regierungschefs nachzukommen. China legte daraufhin das mit Abstand weltweit größte Konjunkturpaket auf und verpflichtete sich, seine Währung nicht abzuwerten. Die Krise konnte so entschärft werden.

Mit der Etablierung der G20 sind die globalen Verhältnisse aber nicht umgestürzt worden. Wie sollte das auch möglich sein? Aber es wurde ein wichtiger Schritt in Richtung einer neuen Weltordnung getan. In einem Land wie Indien ist das verstanden worden. Das indische Magazin Outlook sprach daher von „einem guten Beginn für die armen und die Entwicklungsländer“.

Mit dem Abklingen der Weltwirtschaftskrise ging auch die Bedeutung der G20 zurück. In einer Analyse der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) heißt es: „Nach den erfolgreichen ersten Gipfeln in Washington und London 2008/2009, bei denen es den Industrie- und Schwellenländer gelungen ist, in kurzer Zeit eine gemeinsame Antwort auf die Finanzkrise zu finden, hat die Begeisterung – und auch die mediale Aufmerksamkeit – deutlich nachgelassen. Die letzten G20-Gipfel wurden mehrheitlich als Misserfolge gewertet. Als Grund wird genannt: „Zum einen sind die Industrie- und Schwellenländer als auch die Industrieländer untereinander seit Jahren über zentrale Themen der G20-Agenda uneins. Zu den strittigen Fragen gehören etwa Wachstumsstrategien und Schuldenobergrenzen.“ Vor allem die Staaten des „Westens“ haben das Interesse an der Entwicklung der Gruppe verloren, sollen doch die Normen für die Ausgestaltung der Globalisierung weiterhin auf den Treffen der G7 und in Freihandelsabkommen vom Typ TTIP und CETA aber eben nicht von der G20 festgelegt werden.

Die Organisatoren der Hamburger Proteste scheint das alles nicht zu interessieren. Oft weiß man dort noch nicht einmal, gegen wen man auf die Straße gehen will. So spricht Attac in seinen Aufrufen fortwährend von der G20 als Versammlung der „reichsten Staaten“ der Welt. Die Reihe „der Reichsten“ sieht aber ganz anders aus. Sie wird von Katar angeführt, gefolgt von Luxemburg, Macao, Singapur, Brunai Daressalam, Kuwait, Irland und Norwegen. Aus der G20 gehören nur die USA, Australien und Deutschland (auf Platz 19) zugleich auch zu den reichsten 20 Ländern.

Unklarheit besteht bei den Demonstrations-Aufrufern auch darüber, wer tatsächlich die Verantwortung für die Kriege in der Welt, für Armut und Unterentwicklung trägt. Im gemeinsamen Aufruf der Kooperation für den Frieden, des Bundesausschusses Friedensratschlag, des Hamburger Forums und des Bremer Friedensforums heißt es unter der Überschrift: „Frieden und Völkerrecht statt globalisierte NATO“: „Die G20-Staaten sind weltweit maßgebend in Rüstungsproduktion, Rüstungsexporten und eigener Kriegsführung. Deren Politik steht für soziale Spaltung, für Freihandelsverträge und Naturzerstörung, für Kriege und Vertreibung“ China, Russland, Indien und weitere Schwellenländer sind also Teil einer „globalisierten NATO“(sic!).

Die Partei Die Linke Hamburg erklärt auf ihrer Website die G20-Staatschefs unisono zu „Kriegstreibern“. Am Schluss heißt es dort: „G20 steht für alles, was wir als Linke ablehnen. Armut, Krieg, Ausbeutung und Rassismus.

Nirgendwo wird zwischen Opfern und Tätern unterschieden. Man demonstriert gleichermaßen gegen beide. Und so wendet man sich auch gegen die Anwesenheit von Wladimir Putin und Xi Jinpings auf dem Gipfel. Dass sowohl Russland und China als auch Länder wie Indien, Südafrika, Brasilien, Mexiko und andere immer wieder versuchen, zwischenstaatliche Konflikte friedlich zu lösen, militärische Auseinandersetzungen zu vermeiden und die internationale Politik auf diese Weise zu demokratisieren versuchen, das alles zählt nicht. Unbeachtet bleibt auch die Tatsache, dass das moderne China Hunderte von Millionen Menschen aus bitterster Armut befreite und das Land im Kampf gegen den Klimawandel inzwischen weltweit zum Hoffnungsträger geworden ist. Für die selbsternannten Globalisierungsgegner sind in der Nacht alle Katzen grau!

Hinter der pauschalen Anklage gegen die „Mächtigen“ (Zeise) der Welt verschwinden die wirklich Schuldigen, diejenigen, die für die Zerstörung Jugoslawiens, Afghanistans des Iraks und Libyens verantwortlich sind und die heute den Krieg in Syrien und im Jemen sowie in der Ukraine befeuern. Unsichtbar werden jene, die alles daran setzen, Russland und China militärisch einzukreisen und selbst vor der offenen Drohung mit Krieg gegen Nordkorea nicht mehr zurückschrecken. Die in Hamburg anwesenden Repräsentanten des „Westens“ und der NATO haben daher von solchen Protesten nichts zu befürchten.“

Soweit die Auszüge aus der Analyse von Andreas Wehr.

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