Interview mit dem zurückgetretenen Ratsherrn Henning Jenzen: "Wahrhaftigkeit ist ein sehr hohes Gut"

Baustelle nach der Vernichtung wertvollen Waldbestandes für die Landebahnverlängerung

 

Es kommt nicht oft vor, dass ein Ratsmitglied von seinem wichtigen und ehrenvollen Amt zurücktritt. Henning Jenzen, von der BIBS, trat vor einigen Wochen zurück. Die Braunschweiger Zeitung berichtete darüber. Der Braunschweig-Spiegel wollte es genauer wissen und fragte nach. Das Gespräch führte Uwe Meier.

Das Interview

Zum Rücktritt von Henning Jenzen als Mitglied im Rat der Stadt

Es kommt nicht oft vor, dass ein Ratsmitglied von seinem wichtigen und ehrenvollen Amt zurücktritt. Henning Jenzen, von der BIBS, trat vor einigen Wochen zurück. Die Braunschweiger Zeitung berichtete darüber. Der Braunschweig-Spiegel wollte es genauer wissen und fragte nach. Das Gespräch führte Uwe Meier.

BS Herr Jenzen, waren Sie vor Ihrer Mitgliedschaft im Rat politisch aktiv?

HJ: Nein, und ich hatte es auch nicht vor.

BS Was war der Anlass für Ihr kommunalpolitisches Engagement?

HJ Der Ausbau der Landebahn für den Flugplatz. Heute zeigt sich, dass die Ausbaugegner Recht hatten. Die Erweiterung wird nicht gebraucht. Auch die avisierte "Hochauftriebsforschung" des DLR, welches die Begründung für den Ausbau war, wurde so nie umgesetzt. Das vorgesehene Flugzeug dafür, der A320, konnte im Gegensatz zum Vorgängermodell, nicht entsprechend umgebaut werden. Die Flughafenerweiterung ist eine Fehlinvestition und kostet der Stadt etwa 5 Millionen Euro jährlich.

Außerdem wurde zuviel die Unwahrheit gesagt, um das Projekt durchzudrücken. Auch das störte mich, denn Wahrhaftigkeit ist ein sehr hohes Gut. Besonders auch diese Unwahrhaftigkeit der offiziellen Argumente aus dem Rathaus, rüttelte massiv an meiner sonst sehr hohen Toleranzschwelle.

BS Aber es wird am Flughafen doch viel investiert, am Forschungsflughafen geforscht und VW braucht den doch auch.

HJ Richtig, es wird viel investiert, aber das hat nichts mit der Landbahnverlängerung zu tun. Geforscht wird auch, aber das hat auch nichts mit der Landbahnverlängerung zu tun und Volkswagen hat bereits einen Teil seiner Flotte abgeschafft. Vor allem die größeren Maschinen. VW braucht die verlängerte Bahn also auch nicht mehr. Und nebenbei bemerkt: Für Touristikflieger ist der Standort völlig ungeeignet, weil er aufgrund der fehlenden Infrastruktur viel zu teuer und damit unwirtschaftlich ist. Eins ist aber richtig: VW wollte die verlängerte Landebahn haben. Das war der einzige Grund für den Ausbau, der natürlich nie kommuniziert wurde.

BS Wurden Sie persönlich durch den Flughafenausbau beeinträchtigt?

Ja, ein Grundstück, ein alter Familienbesitz, wurde mir weggenommen und zwangsenteignet. Ferner wird jeder Mensch beeinträchtigt, wenn wertvoller Wald mit einmaliger Fauna zerstört wird und dann wurde auch noch die Grasseler Str. einfach gekappt. Eine versprochene Untertunnelung ist bis heute nicht vorgesehen.

BS War`s das an Argumenten gegen die Landebahnverlängerung und ihrer Motivation in die Politik zu gehen?

HJ Ja, und das reicht ja wohl auch locker hin.

BS Warum sind sie dann zur BIBS gegangen?

HJ Die BIBS hat mit uns gemeinsam 2 Jahre lang als Bürgerinitiative an der Landebahn demonstriert. Das machte sie glaubwürdig. Außerdem war sie in Sachen Flughafen und Flugforschung sowie Ökologie im Hinblick auf den abgeholzten Wald, hoch sachkundig. Auch das trug zur Glaubwürdigkeit der BIBS bei. Das sind wichtige Gründe, die mich bewogen zur BIBS zu gehen, und für diese zu kandidieren. Auch im Nachhinein zeigte es sich, dass meine damalige Entscheidung zur BIBS zu gehen, richtig war.

BS Sie waren fünf Jahre und sechs Monate im Rat und wurden mit hoher Stimmenzahl im letzten September wiedergewählt. Sie waren also im Rat erfolgreich und sollten nach dem Willen der Bürgerinnen und Bürger weiter Kommunalpolitik machen. Und nun das. Haben Sie ein schlechtes Gewissen Ihren Wählern gegenüber?

HJ Ja, das habe ich. Und die Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen. Vor allem widerspricht es auch meinem calvinistischen Arbeitsethos. Meine Maßstäbe, die ich an Arbeit anlege, werden berührt, denn ich hatte im Grunde versprochen, mich für die Bürger der Stadt weiter einzusetzen. Das Versprechen konnte ich nun nicht mehr halten.

BS Wollen Sie über die Gründe sprechen?

HJ Ja! Ich bin bei TUI Fly Flugkapitän. TUI Fly wurde an Etihad Airways verkauft und die österreichische „NIKI“ auch. Im Konzern kommt es also zu Veränderungen, von denen ich betroffen sein werde.

Schon bisher war es für mich schwierig, an den etwa 50 Ausschusssitzungen im Jahr im Rathaus teilzunehmen. Das wäre in Zukunft weitgehend unmöglich geworden. Und auch hier habe ich eine Verantwortung den Braunschweiger Bürgern gegenüber. Daher mein konsequenter Schritt.

BS In welchen Ausschüssen waren Sie denn?

HJ Finanzen, Bauen, Feuerwehr und Wirtschaft.

BS Und wie haben Sie das bisher geschafft?

HJ Wenn mein Flugdienstplan mich nicht freigab, dann hat mich meist der damalige BIBS-Ratsherr Peter Rosenbaum vertreten. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, denn das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich konnte mich immer auf ihn verlassen, was mir sehr wichtig war.

BS War das Zeitproblem denn vor der letzten Kommunalwahl nicht erkennbar?

Doch teilweise, aber nicht in dieser Schärfe mit den Auswirkungen der Umstrukturierung meines Arbeitsgebers, der vielleicht auch mit einem Wohnortwechsel verbunden sein wird. Erfahren habe ich von der auf mich zukommenden Veränderung am 30.10.2016. Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich nicht für den Rat kandidiert.

BS Zum Schluss: Was bleibt in bester Erinnerung und was ist Ihr unangenehmstes Erlebnis im Rat?

Das Unangenehmste war, vor dem Oberverwaltungsgericht unseren Prozess auf Akteneinsicht zu verlieren. Akteneinsichten sind das Mittel der Politik die Verwaltung zu kontrollieren. Wird dieses Mittel eingeschränkt, ist eine Kontrolle der Verwaltung schwer möglich. Allerdings möchte ich klar sagen, dass lediglich OB Dr. Hoffmann diese Akteneinsichten beschnitten hat. Der OB Markurth tut dieses nicht.

Die beste Erinnerung ist eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den damaligen OB Dr. Hoffmann, die ich vor meiner Ratsmitgliedschaft eingereicht hatte. Es ging um unlautere Wahlwerbung und ich musste meine eigene Beschwerde nun im Rat vertreten. Das habe ich nur zu gerne getan.