Rüstungswahnsinn vor 1914
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- Veröffentlicht: Samstag, 20. September 2014 22:36
- Geschrieben von Frieder Schöbel
Im Rahmen der Ausstellung „Besiegte Menschheit – Deutschland im Ersten Weltkrieg" in der Volkshochschule Alte Waage (bis 7. Oktober) hatte das Friedenszentrum Heinz Günther Halbeisen eingeladen. Er sieht eine der Ursachen für den Ersten Weltkrieg in der deutschen Wahnsinnsvorstellung, man müsse Weltmacht werden. Der Historiker Fritz Fischer hat dieses mit seinem Buch „Griff nach der Weltmacht" 1961 belegt.
Da Halbeisen selber in Emden aufgewachsen ist, interessierte er sich schon immer für die Seefahrt. Sein Vortrag beschäftigte sich denn auch mit der deutschen Flottenrüstung vor dem Krieg. Einerseits hatte Kaiser Wilhelm II. eine kindliche Vorliebe für Schiffe, besonders natürlich für Kriegsschiffe. „Deutschlands Zukunft liegt auf dem Meer!" war sein bekannter Spruch. Deshalb besuchte er Wilhelmshaven 50 mal. Die Kieler Woche war oft eine Art Verwandtschaftstreffen mit den Engländern. Selbst seine Tante Queen Mary reiste mal an. Das Deutsche Reich erhielt für seine Rüstung von den Engländern, Schiffe, Seekarten, Maschinen und Ausbildungsregularien für die Mannschaften.
Andererseits wurde schon 1874 mit Alfred Tirpitz ein „Marineminister" ernannt. Das Ziel dieses Soldaten war, ein Verhältnis zur englischen Flotte von 2:3 zu schaffen. Damit könne man jeden Angriff zurückschlagen. In England war das Marineministerium dagegen einem zivilen, vom Parlament bestimmten und kontrollierten Mann unterstellt.
Bei der Verabschiedung eines Expeditionskorps nach China im Juli 1900 dekretierte der Deutsche Kaiser in seiner berühmt-berüchtigten ‚Hunnenrede': „Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht!" Entsprechend brutal war dann auch die Niederschlagung der Boxerbewegung durch die deutschen Truppen.
25 % des deutschen Reichsetats gingen nun in den Kriegsschiffsbau. Der 1898 gegründete Deutsche Flottenverein gewann über eine Million Mitglieder. Die Jugend wurde systematisch mit entsprechender Lektüre gefüttert: „Seefahrt tut not" von Gorch Fock 1913 und die Romanreihe „Unsere Deutsche Flotte" wurden gelesen. Der traditionelle preußische Militarismus tat ein Übriges dazu, dass das Militärische in den Vordergrund trat.
Nach den militärischen Niederlagen und verlorenen Seeschlachten im Ersten Weltkrieg blieben die Kriegsschiffe in den Häfen. Auf den Schiffen verschlechterte sich die Stimmung.
Die Seeoffiziere bildeten eine abgeschottete Kaste. Zunehmende Schikanen der Offiziere und ein aufgeblähter Ehrenkodex an Deck führten schließlich im Juli 1917 zu den ersten Streiks an Land. Die Matrosen forderten bessere Verpflegung. Die ständige Kürzung der Rationen führte zu Fällen von Befehlsverweigerung, zum Beispiel auf der Fahrt von Kiel nach Wilhelmshaven am 19. Juli 1917 mitten im Kaiser-Wilhelm-Kanal, der dadurch blockiert wurde. Am 24. Juli trafen sich Vertreter der Besatzungen zu einer Beratung, auf der die Durchführung einer Friedensdemonstration zusammen mit Werftarbeitern als Ziel gesetzt wurde.
„Den darauf hingerichteten Anführern Albin Köbis und Max Reichpietsch widme ich diesen Vortrag," sagte Heinz Günther Halbeisen. Letztlich gaben die Beiden Anstöße dafür, dass sich schließlich die deutschen Matrosen in Kiel und Wilhelmshaven weigerten zu einer letzten befohlenen Fahrt in den sicheren Tod aufzubrechen. Stattdessen schwärmten sie ins Land aus und organisierten dort zusammen mit den Arbeitern die Revolution von 1918, übrigens auch in Braunschweig, und zwar gewaltfrei.