Re-Kommunalisierung der Daseinsvorsorge
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 28. August 2014 12:35
- Geschrieben von Uwe Meier
Lassen wir die Wahrhaftigkeit der offiziellen Zahlen, ob der Vorteilhaftigkeit der braunschweiger Privatisierungen der Daseinsvorsorge unter dem früheren OB Dr. Hoffmann mal beiseite. Über den Verkauf des Tafelsilbers, also BS- Energy, Abfall oder Abwasser wurde hier viel berichtet und es wird noch viel berichtet werden. Nein, es geht hier um die Re-Kommunalisierung der ehemals städtischen Betriebe. Immer wieder flackert diese Diskussion auf, und das ist gut so. Lässt sie doch eine Wunde offen und gibt dadurch immer wieder Folgendes zu erkennen: den Verlust an kommunaler Selbstbestimmung, den Verlust an öffentlicher Daseinsvorsorge, den Verlust an erheblichen Einnahmen für die Kommune und den Verlust an wahrhaftiger kommunaler Identität und Bürgerstolz, abseits des peinlichen Marketingklamauks mit grün berockten Ballermännern vor einer Schlossfassade.
Inzwischen gibt es keine offizielle Stelle mehr, die eine Privatsierung kommunalen öffentlichen Eigentums fordert. Sie hat sich vielfach als Fehlweg erwiesen, sodass auch der Deutsche Städtetag seit einigen Jahren von Privatisierungen abrät. Aber Braunschweig wollte diesen falschen Weg. Sie hat ihn mit dem OB Dr. Hoffmann seinerzeit mit großer Mehrheit gewählt und feiert ihn noch heute als großen Finanzsanierer.
Bei Fragen der Re-Kommunalisierung ist es angebracht über den Gartenzaun zu sehen. Zum Beispiel nach Bremen. Der Senat hatte ein Gutachten zur Re-Kommunalisierung der Abfallentsorgung in Auftrag gegeben. Klaus Wolschner beschreibt was es gebracht hat. "Kommunal bringt`s total."
Die Diskussion um die Re-Kommunalisierung sollte in unserer Stadt rechtzeitig begonnen werden. Dazu dient auch dieser Beitrag aus Bremen, denn die Bedingungen sind nicht so unterschiedlich, dass nichts vergleichbar wäre. Entscheidend ist der politische Mut!
Auszug aus der Abschiedsrede von Christian Uhde (ehem. OB München und Präsident des Dt. Städtetages):
"Zu den grundlegenden Erfolgen der letzten rund 15 Jahre zähle ich auch, dass die Privatisierungsdebatte in Deutschland jetzt anders geführt wird, als vor eineinhalb Jahrzehnten. Da war sie groß in Mode. Da wurde die Privatisierung städtischer Betriebe und Unternehmen nicht nur als Patentrezept zur Überwindung der Finanznot gepriesen, nein, sie sollte überhaupt ein Heilspfad sein zu mehr Wirtschaftlichkeit, zu mehr Bürgernähe, zu mehr Effizienz, zu mehr Kundenfreundlichkeit, wie es bei der Privatisierung angeblich naturwüchsig geschehe.
In der Zwischenzeit haben wir einige Privatisierungen erlebt, in Teilbereichen durchaus gelungen. Wenn ich zum Beispiel an die Telefonie denke, keiner wünscht sich, was aber auch mit dem technischen Fortschritt zu tun hat, die Zeiten eines Monopolunternehmens zurück. Aber in vielen Bereichen war das Ergebnis erschütternd. Vor allem beim Wasser, ob ich jetzt London Water anschaue oder auch Preisentwicklungen in Ostdeutschland nach der Privatisierung oder den Zustand von Wohnanlagen nach der Privatisierung von Wohnungsgesellschaften. Keine Rede von mehr Verbraucherschutz oder mehr Mieterfreundlichkeit, allerdings gewaltige Preissteigerungen und Mieterhöhungen oder unterlassene Instandsetzungen, weil man eben Kasse machen muss. Das ist ja den Akteuren gar nicht vorzuwerfen. Sie müssen Kasse machen, sie haben den Anlegern Renditen versprochen in ihren Broschüren. Und sie haben die nächste Quartalsberichterstattung über die Gewinnsituation des Unternehmens vor der Nase, und da können und dürfen sie gar nicht so gemeinwohlorientiert agieren, wie es im Glücksfall Vorstände kommunaler Unternehmen tun. Diesen grundsätzlichen Unterschied können wir jetzt wieder selbstbewusst herausstellen, weil wir nicht nur Beweise für unseren guten Willen haben, sondern auch negative Beweise, was bei Privatisierungen alles daneben gehen kann.
Und heute sieht man selbst in den Wirtschaftsteilen drei- und vierspaltige Artikel unter dem pompösen Titel „Renaissance der Daseinsvorsorge“ oder „Rekommunalisierung der Wasserversorgung oder der Wohnungswirtschaft“. Das setzt uns in die Lage, in Zukunft selbstbewusster, auch im Dialog mit Ökonomen, die kommunale Daseinsvorsorge als das zu vertreten, was sie ist, nämlich ein zukunftsfähiges gemeinwohlorientiertes Modell und kein alter Zopf, der in Zeiten des Binnenmarktes abgeschnitten gehört.
Ich kann es nicht lassen, auch hier Ratschläge für künftige Bürgermeister zu geben. Es fällt auf, dass dieselben Unternehmensberatungen, die uns die Privatisierung oder Verwaltungsreform nahegelegt haben, jetzt mit Rat und Tat und Honorarordnung bei Fuß sind, um diese Prozesse wieder rückgängig zu machen. Und es wimmelt auch von Consultants und Anwaltskanzleien, die bei der Rekommunalisierung privatisierter Betriebe helfen. Bitte zeigen Sie ein Höchstmaß an Zurückhaltung, Skepsis und Misstrauen, wenn Ihnen die nächsten grundlegenden Veränderungen nahegebracht werden."