Hohe Ehrung für Dr. Helmut Kramer – den "streitbarsten Juristen"

Die justizkritischen Organisationen waren sich einig: Zum 80. Geburtstag und zu Ehren von Dr. Helmut Kramer, ehemals Richter am Oberlandesgericht Braunschweig, wird ein wissenschaftliches Symposium organisiert. Dr. Helmut Kramer soll den Werner Holtfort-Preis bekommen.

Am 17. und 18. April fand das Symposium in Hannover im Leibniz-Haus statt. Thema des Symposiums: "Der Kampf um die Vergangenheit. Das Wirken ehemaliger Wehrmachtsjuristen im demokratischen Rechtsstaat aus der Sicht der Opfer".

 

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Veranstalter waren:
Forum Justizgeschichte, Redaktion Kritische Justiz, "Verein Gegen Vergessen – Für Demokratie", Sektionen Hannover und Südbaden, Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, Arbeitskreis Historische Friedensforschung, Werner Holtfort-Stiftung. Gefördert wurde die Veranstaltung von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft".
Die Leitung der Veranstaltung hatten Prof. Dr. Joachim Perels Universität Hannover (Institut für Politische Wissenschaft) und Prof. Dr. Wolfram Wette, Professor für Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Universität Freiburg; beide, neben Helmut Kramer, herausragende Persönlichkeiten in der Aufarbeitung der Nazijustiz und Nachkriegsgeschichte der Justiz.

Prof. Perels hielt den Eröffnungs- und Festvortrag: "Konstituierung des demokratischen Rechtsstaats durch Ausschaltung des NS-Justizapparats".

Prof. Wette führte die Schlussworte aus: "Frühe Selbstentlastung der Richter – späte Rehabilitierung der Opfer".

 

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Ingo Müller, Autor des Bestsellers "Furchtbare Juristen", hielt die Laudatio und zeichnete den Lebensweg Helmut Kramers nach:

 

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Er sprach vom "streitbarsten Juristen", dem Deutschland viel zu verdanken habe. Auch im Bundesverdienstkreuz käme das zum Ausdruck. Der Fall Erna Waschinski sei für ihn ein Schlüsselerlebnis gewesen. (siehe auch den Bericht auf unser-braunschweig: Zum Geburtstag von Helmut Kramer)

Detleff Prellwitz von der Werner Holtfort-Stiftung hatte die Freude, Herrn Dr. Kramer (links) den Preis zu überreichen.

 

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Helmut Kramer ging in seiner Dankesrede kurz auf die Prozesse ein, die er auch gegen Kollegen führen musste.

 

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Man konnte den Eindruck haben, dass die Gegner des Herrn Kramer - und von denen gab es zahlreiche - über ihre Anzeigen gegen Herrn Kramer ihren Beitrag zur juristischen Klärung zahlreicher Fälle geleistet haben. Helmut Kramer dankte seinen Mitstreitern, die gemeinsam mit ihm um die Aufarbeitung des Justizterrors und gegen die darauf folgende Selbstentlastung der Justiz kämpften. Er ging auf das Braunschweiger Sondergericht mit seinen Terrorurteilen ein und erwähnte den Blutrichter Meier-Branecke, den Einzigen, der sich nach dem Krieg überhaupt zu seinen Urteilen geäußert hat.  In dem Buch "Braunschweig unterm Hakenkreuz", herausgegeben von Helmut Kramer, wird u. a. auch über diesen Fall berichtet. Das Buch ist leider vergriffen und wird in Kürze hier auf unser-braunschweig als PDF einzusehen sein und anschließend auf Herrn Kramers Internetseite abgelegt.

Und sie kamen fast alle: Historiker und Juristen, die sich wissenschaftlich kritisch mit der Justiz und Militärjustiz im Nazideutschland auseinandersetzen; insbesondere mit dem, was aus den oft skrupellosen Juristen in der Bundesrepublik Deutschland geworden ist.

Zweiundzwanzig Vorträge wurden in eineinhalb Tagen gehalten.

Besonders erfreulich war die Beteiligung vieler junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Vorträge deckten ein breites Themenspektrum ab: Angefangen bei den ehemaligen Netzwerken der Juristen, die dazu dienten, sich gegenseitig frei zu sprechen (nicht ein Jurist wurde verurteilt), über die Lebenswege von Militärrichtern, der Wiedereinführung des Militärrechts bis hin zur frühen Selbstentlastung der Richter und späten Rehabilitierung der Opfer.

Immer wieder steht die Frage im Mittelpunkt: "Warum das alles?"
75 Jahre nach Kriegsende, sind die meisten Opfer und Nazi-Verbrecher tot. Warum beschäftigen wir uns also noch mit diesen Terrortaten unserer Väter und Vorväter, seien sie nun gesühnt oder nicht?

Die Antwort kann nur sein: Wir können nur dann in Freiheit in einem demokratischen Gemeinwesen leben und dieses zukunftsfähig gestalten, wenn wir offen und kritisch zu unserer Geschichte stehen, unabhängig davon, ob die Akteure noch leben.

Insbesondere Juristen sollten sich daran orientieren, denn gerade sie vermitteln einen Unfehlbarkeitsanspruch. Berechtigt ist der bisher nicht – die jüngere Geschichte beweist das Gegenteil.