Künstler/innen schaffen frei von der Leber? - Zur Ausstellung
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 24. Januar 2007 01:00
- Geschrieben von Alexandra Funke

Josephine Prydes Fotoserie „Liver“ zeigt ein Stückchen Leber auf den Automaten verschiedener Banken in Manhattan und Braunschweig

Die in der Galerie der Hochschule für Bildende Künste ausstellenden Künstlerinnen – Monika Grzymala, Katrin von Maltzahn, Josephine Pryde und Maria Sewcz – verbindet, dass sie alle ein Stipendium innerhalb des niedersächsischen Dorothea Erxleben-Programms zur Förderung von Frauen – mit Lehrauftrag an der HBK – erhielten.
Die britische Künstlerin Josephine Pryde stellte das ihr zur Verfügung stehende Katalogbudget ihren Studenten für die Publikation eines Magazins („When I was 23 I decided to dedicate my life to art“) und einer Mindmap („Students‘ Day in the Culture Industry“) zur Verfügung. Das Magazin resultiert aus einer Exkursion nach London, bei der die Braunschweiger Kunststudentinnen und Kunststudenten auch Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit den Vermarktungsstrategien moderner Museen (Tate) und Künstlern wie denen der Young British Art erhielten, die in den 90er Jahren mit Damien Hirst an der Spitze nicht zuletzt über den berühmten Sammler Saatchi auch in Deutschland sehr bekannt geworden sind.
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Das Dekameron des Giovanni Boccacio enthält 100 (10x10) Novellen, deren Rahmenhandlung sich in einem Landhaus in der Nähe von Florenz abspielt. Sieben Frauen und drei junge Männer, die vor der Pest aufs Land geflüchtet sind, vertreiben sich die Zeit des Wartens mit dem Erzählen von Geschichten. Zehn Tage lang wird immer eine Erzähl-Königin oder ein Erzähl-König ernannt, die oder der den Themenkreis des Tages bestimmt. Im Rahmen dieser Vorgabe müssen sich alle eine Geschichte ausdenken und vortragen. Als die zehn Tage um sind, kehren sie alle nach Florenz zurück.
Zum besseren Verständnis der Existenzweise des Habens sei auf eine der bedeutsamsten Erkenntnisse Freuds verwiesen. Er entdeckte, daß alle Kinder nach einer Phase rein passiver Rezeptivität, gefolgt von einem Stadium aggressiv einverleibender Rezeptivität, vor dem Erwachsenwerden eine Phase durchmachen, die er als die anal-erotische bezeichnete. Diese Phase bleibt, wie Freud entdeckte, oft für die Entwicklung eines Menschen bestimmend und führt dann zur Entstehung des analen Charakters, der dadurch gekennzeichnet ist, daß der Mensch seine Hauptenergie auf den Besitz, das Sparen und Horten von Geld und materiellen Dingen ebenso wie von Gefühlen, Gesten, Worten richtet. Es ist die Charakterstruktur des Geizigen, gewöhnlich in Verbindung mit einem überdurchschnittlichen Maß an Ordnungsliebe, Pünktlichkeit und Trotz. Ein wichtiger Aspekt des Freudschen Konzepts ist der symbolische Zusammenhang zwischen Geld und Kot - Gold und Dreck -, wofür er eine Reihe von Beispielen anführt. Freuds Auffassung, daß der anale Charakter nicht das Stadium der Reife erreicht habe, ist in der Tat eine scharfe Kritik der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts, in der die Wesenszüge des analen Charakters zur Norm des moralischen Verhaltens wurden und als Ausdruck der »menschlichen Natur« angesehen wurden. Freuds Gleichung: Geld = Kot ist eine implizite, wenn auch unbeabsichtigte Kritik des Funktionierens der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Habgier...