Krafts Wort und die Wahrhaftigkeit
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- Veröffentlicht: Donnerstag, 22. Dezember 2016 13:10
- Geschrieben von Redaktion
Seit einigen Wochen ist der ehemalige Domprediger und Probst Armin Kraft im städtischen Gespräch. Es geht um erhebliche private Geldzuwendungen und Kontovollmachten über viele Jahre von einer vermögenden, verstorbenen Dame, die eine besondere private Beziehung zur Familie Kraft hatte.
Nach dem Tod der Dame fand die Verwalterin des Erbes ein Büchlein, in dem die Zuwendungen an Armin Kraft notiert waren. Sie wandte sich zunächst an die Landeskirche Braunschweig, die 18 Monate benötigte, um zu bescheiden, dass nach dem Kirchengesetz alles rechtmäßig sei (Stellungnahme).
Die Staatsanwaltschaft will nicht ermitteln, ob Herr Kraft rechtmäßig gehandelt hat. Die Staatsanwaltschaft sieht keine Veranlassung zur Ermittlung, auch nicht, als auch noch das Gold, das in einem Safe lag, bis heute verschwunden ist. Sie sagt, dass die Dame seinerzeit keine Anzeige erstattet hätte als sie feststellte, dass das Gold verschwunden sei und außerdem sinngemäß, dass die Dame mit ihrem Geld machen könne was sie wolle.
Eine besondere Rolle spielt die Braunschweiger Zeitung. Sie war sich der Brisanz des Thema sehr bewusst. Herr Noske (Lokalchef) und Ann Claire Richter (Redakteurin) führten ein Gespräch mit Herrn Kraft, das abgedruckt wurde. Darin konnte Herr Kraft seine Sicht der Dinge darlegen.
Am 17.12.2016 war Herr Kraft noch mal ganzseitig in der Braunschweiger Zeitung. Ann Claire Richter legte die Situation noch einmal dar und Herr Kraft veröffentlichte eine persönliche Erklärung im Wortlaut. Tenor: Alles privat!
Kommentar
Es ist erstaunlich, mit welch einer Dreistigkeit Herr Kraft die Angelegenheit für erledigt erklärt und unterschwellig der Braunschweiger Zeitung auch noch Schuld an seiner Selbstdemontage in die Schuhe schiebt. Die eitle Selbstgefälligkeit dieses Mannes nervte schon immer und findet nun seinen Höhepunkt in diesem selbstverschuldeten persönlichen Desaster. Die Braunschweiger Zeitung hat alles richtig gemacht. Verschweigen hätte sie den „Fall Kraft“ nicht dürfen, Kraft nach dem Munde reden schon gar nicht. Es bleibt was journalistische Pflicht ist: Berichten, Herrn Kraft viel Platz einräumen, klug nachfragen und kritisch, unvoreingenommen bewerten. Das ist der Zeitung gelungen, auch wenn Armin Kraft anderer Meinung ist. Glückwunsch BZ!
Strafrechtlich ist Armin Kraft nichts anzuhaben. Außerdem ist die Verjährung eingetreten. Die Landeskirche hat alles mit diplomatischen Sprüchen abgehandelt, ist er doch einer von ihnen. Sie distanziert sich von dem ehemaligen Domprediger, indem sie betont, ihn in der Sache rechtlich nicht beraten zu haben. Außerdem zitiert sie, dass auch privat nur Zuwendungen angenommen werden dürfen, „die im Familien- und Freundeskreis üblich sind“. Durch diese Aussage wird deutlich, dass die erwähnten 60 000 Mark zum Kauf eines Ferienhauses nicht dazu zu zählen sind.
Trotzdem bleiben viele Fragen offen, die nicht mehr geklärt werden können, und die der evangelischen Kirche Schaden zugefügt haben.
Die Geschichte, warum er Kontovollmacht hatte, um Rechnungen zu bezahlen, wenn die “Erbtante” im Urlaub oder im Krankenhaus war, kann er niemandem weismachen. Eine Person mit einem derartigen Vermögen hat der Bank längst einen Abbuchungsauftrag gegeben für anfallende Kosten, außerdem sind laufende Kosten über Grundstücksangelegenheiten schon lange nur mit Abbuchung möglich. Ist die “Patentante” jedoch nicht mehr in der Lage, die Bankgeschäfte selbst zu tätigen, dann hätte Herr Kraft als kluger Mann eine Pflegschaft beantragen müssen. Allerdings muss man dann auch über jede Geldbewegung Rechenschaft ablegen.
Ist Herrn Kraft in all den Jahren denn nie der Gedanke gekommen, dass man Geldbeträge in großer Höhe als Mann der Seelsorge nicht annehmen darf. Das hat nichts mit Strafrecht zu tun oder Kirchendisziplinarrecht, sondern mit einem gebotenen Abstand zum Menschen, dessen Vertrauen man hat. Es stellt sich die Frage, ob Herr Kraft auch einen Mittellosen in seine Familie derart integriert hätte. Man darf das bezweifeln, freute er sich doch über den warmen Geldsegen der vermögenden Frau.
Wenn Herr Kraft über Jahrzehnte Nutznießer dieser Frau war, dann versteht man auch, warum er seinen 50. Geburtstag so großartig im Stadtparkrestaurant feiern konnte, da sein Einkommen aufgrund seiner Aussagen doch recht bescheiden gewesen sein soll. Der halbe Garten war ja mit Kraftgästen bevölkert. Wurden denn dann auch die gemeinsamen Reisen gesponsert?
Für einen intelligenten Menschen mit diesem Beruf, kann man das gesamte Verhalten des Herrn Kraft nur für fragwürdig halten. Er nahm das Geld immer wieder, Zeit für Reflexion wäre also gewesen, doch irgendwann wird es zur Gewohnheit und die Geldannahme gehört zum täglichen Leben. Auch wenn er immer wieder betont, die alte Dame hätte praktisch zur Familie gehört, so ist er doch Erklärungen schuldig. Merkwürdigkeiten sollten von ihm geklärt werden:
Warum wurde ihm 2011 die Bankvollmacht entzogen, warum wollte die alte Dame nicht zum dritten Mal Pate werden? Auch die ersten beiden Patenschaften sind recht seltsam. Als Mann der Kirche weiß er, was Pate zu sein bedeutet. Dass man sich im Notfall um das Patenkind kümmert, und darum werden meistens Paten genommen, die das altersbedingt noch können. Oder aber, wie in diesem Fall, man rechnet sich etwas aus. Er hat ja auch keine Hemmungen zu betonen, dass die Geldgeschenke ein gutes “Zubrot” waren. Aber 100.000 DM/€ oder sogar noch mehr, sind nicht nur ein Zubrot, sondern eine große Summe, für die die meisten Menschen lange arbeiten müssen.
Ob hier strafbare Handlungen begangen wurden, will eigentlich niemand mehr wissen, weil es darum nicht geht – und das scheint er nicht zu verstehen. Es geht um Vertrauen in ihn als Kirchenmann und in die Kirche. Moralisch ist das ein Problem, und Herr Kraft hat der Kirche keinen guten Dienst erwiesen.
Er hätte mal in die kleinen Gemeinden im Harz gehen sollen, wo Kollegen um jedes Kirchenmitglied kämpfen müssen. Wo in fünf Gemeinden eine handvoll Konfirmanden zusammen kommen, wo eine Hüpfburg in der Kirche bei einem Dorffest aufgestellt wird, damit auch mal kleine Kinder lernen, dass das Gebäude mit dem Turm Kirche heißt.
Was aber die Menschen an der ganzen Sache ärgert und befremdet, dass Herr Kraft einfach nicht einsieht, dass er etwas über Jahrzehnte getan hat, was unter Umständen auch strafbar gewesen sein könnte.
Wer in eine Kirche geht, der erwartet vom Pastor Wahrhaftigkeit und möchte ihm vertrauen, aber Sie Herr Kraft, haben die Zweifler in ihren Zweifeln bestärkt. Es wird nicht so einfach sein, das verlorengegangene Vertrauen bei vielen Menschen wieder herzustellen. Einige werden der Kirche den Rücken kehren.