BS Kultur Teil 3: Events und Hochkultur machen allein noch keine lebenswerte Stadt
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- Veröffentlicht: Sonntag, 06. Januar 2013 21:14
- Geschrieben von Bernd Müller
Für eine Kultur von unten!
Bei Wikipedia findet man zum Begriff "Hochkultur" folgendes Stichwort: Hochkultur (Soziologie) Gegenbegriff zur Alltagskultur, Volkskultur oder Populärkultur
Zwei Reizworte möchte ich hinzu fügen: Eventkultur und die so genannte Subkultur. In Braunschweig wird Kultur oft unter dem Marketingaspekt gehandelt, dazu zähle ich zum Beispiel das Otto-Jahr oder aktuell das Victoria-Luise-Jahr 1913. Mir ist der Begriff Subkultur am nächsten, da sich der Begriff einer hierarchischen Einordnung widersetzt. Das Phänomen Hochkultur ist erfreulicherweise auf dem Rückzug. Eine Negation dieses Kulturbegriffs hat in den 70er Jahren unter dem Schlagwort Konsumterror begonnen. Das Motto Subkultur schließt heute auch die Soziokultur mit ein. Damit ist Kultur für alle gemeint.
Heute laufen Eventkultur, Lifestyle (um nur einige Begriffe zu nennen) der Hochkultur den Rang ab. Natürlich werden Kunst und Kultur hochgelobt und "für eine Wissensgesellschaft eine herausragende Bedeutung" bescheinigt (Kultur in Deutschland, Drucksache 16/7000, Deutscher Bundestag 2007).
Der Kulturfinanzbericht 2012 bescheinigt Niedersachsen den vorletzten Platz von 16 Bundesländern. Braunschweig liegt dort auf Rang 19 bei Städten über 200 000 Einwohnern. Umgerechnet auf die Einwohnerzahl Braunschweigs wird der Betrag von 77,11 €/Jahr genannt. In Niedersachsen wie in Braunschweig gibt es keinen Kulturentwicklungsplan, immerhin fordert die Landesfraktion der SPD diesen ein. Der Braunschweiger Haushalt für Kultur und Wissenschaft (Teil-Ergebnishaushalt) weist 2013 einen Betrag von rund 26 Millionen € aus, in diesem Betrag verbergen sich natürlich große Unterschiede. Das Staatstheater erhält von der Stadt allein "ohne Landesmittel" ausgewiesene rund 9 Millionen €. Berechnungen gehen davon aus, dass die durchschnittliche Theaterkarte zwischen 150 – 170 € gefördert ist. Dagegen nimmt sich die Projekt- und Konzeptionsförderung Literatur mit 10 Tausend € geradezu bescheiden aus. Die vielen Künstler, die selbst Ausstellungen und Veranstaltungen organisieren, erhalten aus meiner Sicht von Seiten der Stadtverwaltung so gut wie keine Anerkennung — geschweige denn finanzielle Förderung. Die 2012 geförderten rund 50 Projekte erhielten gerade mal eine Summe von 250 Tausend €. Der Ausschuss für Kultur und Wissenschaft fördert u. a. Theatergruppen, Kunstvereine, Filmfest, Musik insgesamt mit 1,2 Millionen € (ohne Staatstheater). Wer sich beim Lesen wundert, wieso so wenig Mittel in die Projekte oder Instititionen fließen, sollte sich den Haushaltsentwurf anschauen.
Meiner Meinung nach ist es an der Zeit auch den Verteilungsspielraum innerhalb des Kulturetats der Stadt Braunschweig neu zu regeln. Auch ein Staatstheater und seine Kulturschaffenden sollten sich einer Diskussion öffnen und Solidarität nach unten üben.
Frage: Warum gibt es in Braunschweig keinen Förderpreis für Kleinkunst? Ein Preisgeld von jährlich 3.000 € könnte ein kleiner Anfang sein — aber natürlich nur, wenn man der Kultur von unten einen Rang einräumt.
Zum Abschluss ein Appell an die vielen Kulturschaffenden in Braunschweig: Mischt Euch wenigstens zeitweise ein! Das Dilemma ist, dass "Die Künstler sich die Welt denken und die Politiker die Welt machen" wie Peter Weiss in der "Ästhetik des Widerstands" anmerkt.
Die Kultur von unten wird ohne Stellung zu beziehen weiterhin nur Cents erhalten.