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Buch von Dietrich Kuessner: Ansichten einer versunkenen Stadt

Was hier auf auf 680 Seiten von Pfarrer Dietrich Kuessner vorgelegt wird, ist eine Sisyphusarbeit.

Als historische Darstellung, gespickt von Fakten und Daten, sorgsam gefüttert aus verstaubten Archiven ist dies ein ungewöhnliches Buch! Es ist von einem geschrieben, der sein Herzblut in diese Arbeit hineingegeben hat. Hier schreibt kein distanzierter Historiker, sondern einer, der seine Kirche liebt – auch durch schwierige Zeiten hindurch. Nicht immer fanden seine persönlichen Verdienste um diese Kirche hinreichende Beachtung.

Kuessner vermag es in seinem Werk, bei den Leserinnen und Lesern den „Leitfaden“ der NS-Geschichte ins Bewusstsein zu rufen und deutlich zu machen, wie konsequent Hitler auf den Krieg zusteuerte. Trotz seiner historisch klaren Überzeugung vermeidet er schnelle Beurteilungen und Verurteilungen, sondern zeichnet ein Bild der Einbettung der ev. Landeskirche und auch der katholischen Kirche in den Geist der Zeit.

In den einzelnen Kapiteln geht Kuessner durch die Jahre von 1932 bis 1950. Atemberaubend!

Er zeichnet die Geschichte auch akribisch biographisch nach.. Die erstaunlicherweise noch vorhandenen Gemeindebriefe dienen dazu als Material. Deshalb schaut er auch in die ganz normalen gemeindlichen Vorgänge der damaligen Zeit, destilliert aus Predigten das, was die Pfarrer zur Stimmung der Zeit und zur politischen Lage sagen, schildert die Hoffnungen darauf, dass das nationalsozialistische Deutschland wieder zum christlichen Glauben zurückfindet.

Kuessner berücksichtigt ein weites Spektrum des Lebens und berücksichtigt auch in besonderem Maße die Kirchenmusik.

Mit Erschütterung lese ich die Darstellung der Kriegszeit und zuletzt von den unsäglichen Durchhalteparolen und den Kirchen, die Hitler zum überstandenen Attentat gratulieren.

Eine besondere Stärke dieses Buches ist für mich das, was Dietrich Kuessner zu Niederlage und Besetzung sagt. Er beschreibt diese Katastrophe sehr eindringend, bis in psychosoziale Details des Lebens der Menschen in Braunschweig hinein. Am Kriegsende gab es viele, die sich das Leben nahmen.

Auch meine Großmutter ging beim Kriegsende in Braunschweig selbst in den Tod, nicht weil sie eine Parteigröße war, sondern weil die die Niederlage und das Verschollensein des Sohnes, meines Vaters, nicht verkraftete.

Kuessner vermittelt den Lesern einen weiten Blick: Er sieht auch auf die Seite derer, die von den Nazis brutal verfolgt wurden: Es öffnen sich am Kriegsende für viele die Tore der KZs und Gefangenenlager. Das ist in den Darstellungen des Kriegsendes oft in den Hintergrund getreten. Dass auch Menschen wie Ingeborg Klünder gewürdigt werden, ist großartig. Ingeborg Klünder wurde als Gemeindehelferin in der St. Georg-Gemeinde der Wehrkraftzersetzung beschuldigt und geriet in die Fänge der NS-Justizmaschine und vor den Volksgerichtshof. Sie hat tapfer ihren Glauben bekannt, wurde aber von der Landeskirche vergessen.

Ich habe einige der handelnden Persönlichkeiten in der Kirche noch als Theologiestudent und junger Pfarrer kennengelernt. Ende der sechziger/Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. Ich hörte immer wieder, wie sehr man gegen Hitler und die Nazi-Herrschaft gewesen sei und wie schwierig, ja unmöglich Widerstand gewesen sei.

Das Werk Kuessners korrigiert diese Verschleierung und Verdrängung.

Kritiker haben wohl zu recht bemängelt, dass manche Fehler sich in dieses grandiose Werk eingeschlichen haben. Dies ist angesichts des Mammutvorhabens dieses Buches nicht verwunderlich gewesen. Hier hätte die Ev.-luth. Landeskirche Braunschweigs durch eine kräftigen Druckzuschuss Abhilfe schaffen können, denn diese Darstellung der nicht sehr rühmlichen Geschichte der Kirchen in der Stadt Braunschweig ist einzigartig.

Dietrich Kuessner,

Ansichten einer versunkenen Stadt

Braunschweiger Stadtkirchen 1933-1950

Verlag Uwe Krebs, Wendeburg 2012

Preis 24,90



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