„H_LLE“ am Hauptgüterbahnhof: Neuer Ort für Gegenwarts-Kunst
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- Veröffentlicht: Montag, 27. August 2018 20:54
- Geschrieben von Klaus Knodt
Neuer und ungewöhnlicher Kunstort in Braunschweig: Im Kunstverein „DIE H_LLE“ (Hauptgüterbahnhof 22a) sollen regelmässig junge AbsolventInnen einen Ausstellungsplatz finden. Foto: Klaus Knodt
Die menschliche Welt ist ein Kunstort; und es ist erfrischend, wenn sie sich die Orte für ihre Kunst immer wieder neu erobert. Dank der Privatinitiative fünf engagierter HBK-Absolventinnen mit verschiedenen Abschlüssen hat der erst im Mai 2018 gegründete Kunstverein DIE H_LLE am Wochenende eine Industriebrache am Hauptgüterbahnhof zu einem weiteren Treff für die regionale Kreativszene umgewidmet – mit einem zweitägigen „In Situ“-Festival und 15 Installationen zwischen jungen Birken, verrostenden Containern und skulptural belassenem Maschinenschrott.
Kunstvereins-Vorsitzende Henrike Wenzel (Mitte) und ihr Team eröffneten die erste Ausstellung in der „H_ALLE“. Foto: Klaus Knodt
Schon vor 20 Jahren hat die Initiatorin Henrike Wenzel das Grundstück mit einstürzenden Altbauten und industriellem Restmüll erworben. Die im Kultumanagement tätige, diplomierte Kunstwissenschaftlerin: „Es soll ein Platz werden mit Café, Biergarten, Ausstellungshalle und viel Platz für Ausstellungen und Performances jeder Art.“ Dank städtischer Förderung und einiger Sponsoren konnten zur Eröffnung überwiegend aus dem HBK-Umfeld stammende AbsolventInnen ihre Werke präsentieren.
Da präsentierte das Künstlerkollektiv „Marnic Circus“ aus Bremen einen aus Sperrmüll-Materialien spontan erbauten Schrein unter dem Titel „Heiligkeitsstufen-Modell #4“, der frappant an religiöse Stätten tibetischer Gläubige erinnert – umgenutzt zur „rituellen“ Nudelsuppenküche. Lotta Bartoschewski installiert raumgreifend zwei Vampir-Zähne im Durcheinander aus Unkraut und Gewerbeabraum; Paloma Riewe kollert Gips-Skulpturen von Äpfeln quer über das Ausstellungsgelände bis vor eine Containerwand, die mit Fischreihern und Kornähren aus Gipsabrieb bedeckt sind. Zwei wie zufällig nebeneinander trommelnde Zementmischer von Heike Wommelsdorf (Konkrete Mixer, 2018) entpuppen sich als Klanginstallation mit dem Stereo-Sound der invertierten Materialien.
Vampirzähne als Werk zwischen Bild und begehbarem Bühnenbild: „VAMPIR“ (2018) von . Lotta Bartoschewski. Foto: Klaus Knodt
Schon beim Eintritt in das Ausstellungsgelände bellt den BesuchererInnen ein vermeintlicher Wachhund entgegen – tatsächlich ist es eine Installation von Ole Blank (Virtual presence, dog piece, 2018) und stellt, so die Intention, „subversiv den Zusammenhang zwischen der öffentlichen Straße und dem privatrechtlichen Raum um die H_LLE her“. Lauter Ansätze, die in der Sterilität eines musealen Gebäudes nicht möglich wären. Auch wenn der bedeckte Himmel und ein paar Regentropfen die Vernissage überschatteten (der Lichtskulptur „Consens“ von Enric Fort Ballester ermangelte es schlicht am Licht), nahm ein heiter gestimmtes Publikum diese neue Präsentationsfläche dankbar an. In der ungezwungenen Open-Air-Atmosphäre mit Reminiszenzen an Berliner Bauwagenplätze fühlten sich auch Kinder wohl. Kuchen, Kürbissuppe und eine Bretterbar mit Kaltgetränken zu DJ-Klängen liess Festival-Atmosphäre zu.
Eindrücke von weiteren Kunstobjekten
Paloma Riewe, ÄPFEL UND ZEICHNUNGEN AUS GIPS Foto: Klaus Knodt
Marnic Circus, HEILIGKEITSSTUFEN-MODELL #4 (2018) Foto: Klaus Knodt
Tonkollage mit Zementmischern Foto: Klaus Knodt
Fast selbst ein Kunstobjekt: Die selbstgezimmerte Open-Air-Bretterbar. Foto: Klaus Knodt
Tugba Simsek, 2 PAC LIVE OR DIE IN L.A. (2018) Foto: Klaus Knodt
Kyu Nyun Kim, DINGE UND VIDEO 2 (2018) Foto: Klaus Knodt
Gruppe Stumpf, STILBRUCH (2015) Foto: Klaus Knodt