Falsche Menschen vor falschem Schloss

 Diese Betonkameraden kehren dem Fake-Schloss den Rücken zu.   
Foto: Klaus Knodt
 
Eine Armee von BetonkameradInnen okkupiert seit wenigen Tagen Braunschweigs Innenstadt. Leicht überlebensgroß, in ihrer Mittelmäßigkeit eher hässlich als künstlerisch grotesk, und im farbblassen Chic der SSV-Schnäppchenjägergeneration gewandet, strahlen sie die verflossene Ödnis des bürgerlichen Banalismus aus. Neben Braunschweigs wenigen historischen Gebäuden, vor einem falschen „Schloss“ und in der Fußgängerzone. Sogar auf dem einst durch Hoffmann zum „großstädtischen Boulevard“ erhobenen Bohlweg beengen die falschen Menschen den ohnehin engen Raum für die Passanten zwischen Häuserfront und Radweg. Festgeschweißt auf Stahlplatten, die leicht zur Stolperfalle werden können, und zum Verkehrshindernis für Mütter mit Kinderwägen. Was soll das?
 
Kein Schild klärt auf über die berühmte Frage, ob das Kunst ist oder weg kann. Immerhin beeilt sich die Pressestelle der Stadt, in mühseligem Feuilletonisten-Deutsch einen Sinn hinter der Open-Air-Ausstellung zu radebrechen: „Die etwas übergroßen Figuren in alltäglichen Situationen - eben Alltagsmenschen - mischen sich, obwohl nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Beton, quasi unter das Volk.“ Die Künstlerin Christel Lechner thematisiere „weit weg von der Reklame-Realität die Eigenheiten der Menschen, das soziale Miteinander und bildet die leisen und unspektakulären Feinheiten ab.“ Aha. In Braunschweigs Innenstadt beherrscht Reklame-Realität das leise, soziale Miteinander.
 
 Chef (sitzend) und seine zwei Arbeiter genehmigen sich ein Päuschen.   
Foto: Klaus Knodt
 
Bereits 2014 standen mehr als 40 Figuren der Künstlerin auf den Lieblingsplätzen der Braunschweigerinnen und Braunschweiger. Dass sich ihre Zahl im Rahmen der aktuellen „Citymarketingkampagne ‚Ist schön. Wird schön’.“ (was muss eigentlich schön werden, wenn es schon schön ist???) der Braunschweig Stadtmarketing GmbH nun inflationär um 50 Prozent erhöht hat, bedeutet nicht unbedingt denselben Zugewinn an künstlerischer Qualität. Eine aus dem Jahr 2014 recycelte Idee darf wohl nur bedingt als avantgardistischer Fortschritt angesehen werden. Und Urheber der hyperrealistischen Menschenbeschau ist ohnehin der in könnerischer Perfektion um Lichtjahre vorausgeeilte Pop-Artist Duane Hanson („Supermarket Lady“) aus den frühen Siebziger Jahren. Der erregte vor mittlerweile 45 Jahren noch echtes Aufsehen; benutzte aber auch expressivere Farbtonalitäten.
 
 Der brave Betonhund und sein Herrchen stören zum Glück nicht das Konzert der (echten) Straßenmusikerinnen.   
Foto: Klaus Knodt
 
Die Plaketten zu Füßen der Kunstfiguren in Braunschweigs Shopping-Quartier deuten immerhin darauf, dass die Stadt dank der üblich verdächtigen Sponsoren keinen Cent dazubezahlen musste – gottlob. Und für die Nachgeborenen der Selfie-Generation stellen die Figuren eine hübsche Alternative zu den üblichen Kulissen „Ich und mein Soap-Star“, „Ich auf Malle“ oder auch einfach nur „Ich“ dar. Ist ja auch was.
 
Wer den Figuren fremdelnd gegenüber steht, freut sich auf den 9. Juli 2017. Dann endet die Ausstellung und das Versprechen „Wird schön“ wird eingelöst.
 
 
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Anmerkung der Webmasterin
 
 
Liebe b-s Leser und b-s Leserinnen,
 
der Beitrag von Klaus Knodt erhitzt die Gemüter - auch meins
 

Ich kann nicht nachvollziehen, was für ein Problem Klaus Knodt mit den Skulpturen von Christel Lechner hat ....

Vielen Braunschweigern gefallen die Figuren, vielen nicht, vielen ist es egal ...

Geschmackssache halt.

 

Der b-s sollte keine Plattform sein, wo sich ein einzelner Autor oder Autorin verletzend und verächtlich öffentlich äußern kann, als sei er allein mit sich im Gespräch.

 

Auch wenn ich z.B. die Figuren eines Fernando Botero persönlich lieber oder überhaupt auch gerne sehen würde in Braunschweig - (auch Botero ist Geschmackssache), lockern auch für mich Christel Lechners Figuren die Shopping-Szenerie auf.  Mir gefällt die Diskrepanz zu eilenden Passanten im Konsumrausch und den die Ruhe weg habenden Figuren Lechners, die einer anderen Zeit zu entsammen scheinen.

Eine Quadriga von Christel Lechner würde mich interessieren, mit pummeligen Pferden und einer Brunonia mit Problemzonen ... es muss ja nicht immer alles in Bronze sein

"Ist das Kunst oder kann das weg?" schreibt Klaus Knodt - indirekt, verpackt als die "berühmte Frage" - zu Christel Lechners Figuren.
"Ist das noch Journalismus oder kann das weg?" darf sich mensch dann genauso fragen.


Wollen wir wirklich auf diese Art diskutieren und publizieren?

Richtet sich der Groll des Autors gegen die Künstlerin oder gegen die Art und Weise wie ihre Arbeiten angekündigt werden - das erschließt sich beim Lesen nicht. Was sich erschließt ist die Abwertung dieser Ausstellung im öffentlichen Raum. Vielleicht wurde abgezielt auf die Pressestelle der Stadt, getroffen wurde die Kunst von Frau Lechner, die man mögen kann oder eben nicht.

Möglicherweise versteckt sich Humor in Klaus Knodts Zeilen, und ich verstehe es einfach falsch, habe den kabarettistischen Zug nicht bemerkt - die reine Textform ist da nicht immer klar einzuordnen.

Mein Wunsch an die Redaktion des b-s:
Wir sollten als Redaktion genauer prüfen ob ein Beitrag mit unseren Grundsätzen vereinbar ist. Hier hätte ich nochmal Kontakt mit dem Autor aufgenommen, es jedenfalls so nicht veröffentlicht.

Aus unserer Satzung:

(...)

Ziel von "Braunschweig-Spiegel.de" ist, die demokratische Kultur in Stadt und Region zu stärken und so der Entdemokratisierung der Gesellschaft entgegen zu wirken. Alle Bürgerinnen und Bürgern der Stadt und Region sollen die Möglichkeit bekommen, am politischen Geschehen aktiver teil zu nehmen. Kritisches und demokratisches Bewusstsein soll gefördert werden, durch die gemeinsame Beteiligung in der Verbreitung von Nachrichten und Hintergründe zu Politik, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, die insbesondere über die vorhanden Medien nicht oder nur unzureichend vermittelt werden.

(...)

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Mein Wunsch an unsere Leser und Leserinnen:
Respekt beim Kommentieren - bislang klappte das eigentlich ganz gut … Danke dafür!

 

(Corinna Senftleben)