„Netzwerk Gemeinsam Wohnen Braunschweig“ - Bericht zur 1. Infobörse

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Die Stadt Braunschweig stellt Wohngruppenprojekten u.a. Gebäude des verkehrsgünstig gelegenen Klinikums Gliesmaroder Straße in Aussicht 

Diese erste öffentliche Veranstaltung des „Netzwerk Gemeinsam Wohnen in Braunschweig“ seit seiner Gründung fand am 29.März 2011 in der Seniorenbegegnungsstätte Gliesmarode statt. Die Aktivität des „Netzwerks“ wurzelt sicherlich im generellen Trend der (Groß)Städte, der Wohnvereinzelung von Familien, Alleinerziehenden, Paaren bis hin zur steigenden Zahl von Single-Haushalten Einhalt zu gebieten: der Energieverbrauch in Haushalten könnte in Gemeinschaftswohnungen verantwortungsvoller und damit sparsamer genutzt werden, und auch ökologisch gebotene Umbauten erscheinen unter dieser Perspektive realisierbarer. Gleichzeitig ist das gestiegene emotionale und praktische Bedürfnis nach  Veränderung bisheriger Wohnverhältnisse nicht zu übersehen, die zu Individualisierung von Wohnbedürfnissen, Auflösung von familiären und freundschaftlichen Verpflichtungen und damit zu sozialer Verarmung geführt haben. In diesem Zusammenhang ist es kein Zufall, dass sich in Braunschweig das „Netzwerk“ gebildet hat, das zu einem Angebot gemeinschaftlicher Wohnformen beitragen und dafür Interesse wecken möchte.

Nach professioneller Vorbereitung und Gestaltung dieser 1. Infobörse und aufgrund einer publizierten Einladung in der „Braunschweiger Zeitung“ fanden sich etwa 50-60 Personen ein, ein sichtbar Aktivität, Gesundheit und Mobilität ausstrahlendes Publikum, überwiegend weiblicher Zusammensetzung. Zusammengeführt hatte uns der Wunsch nach mehr Gemeinsamkeit in den grundlegenden emotionalen und praktischen Wohn-Bedürfnissen.

Ansprechende Präsentationen schon bestehender und erst geplanter Gemeinschaftsprojekte mit Flyern und Fotos auf kleinen Tischen boten sich zur Betrachtung an; auch eine Wandtafel für individuelle Angebote und Nachfragen konnte genutzt werden, sogar für die leibliche Stärkung mit Snacks und Getränken war gesorgt.

 Das „Netzwerk“ wird personell getragen von vier engagierten ehrenamtlich arbeitenden Fachleuten aus dem Bereich von Architektur und Sozialwissenschaften. (Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Seine konzeptionellen Ziele sind Unterstützung, Begleitung und Beratung von gemeinschaftlichen Wohnprojekten und der Informationsaustausch untereinander sowie Sensibilisierung von Öffentlichkeit und Entscheidungsträgern für diese Wohnform, u.a. unterstützt vom Seniorenbüro der Stadt Braunschweig sowie von der Evangelischen Kirche im Westlichen Ringgebiet.

Auf diesem Hintergrund waren eine Vertretung der städtischen Abteilung für Stadtplanung und Umweltschutz sowie Vertreter in Braunschweig ansässigen Wohnungsbaugesellschaften gebeten worden, sich auf der 1.Infobörse zu präsentieren. Die Stadtverwaltung zeigte sich offen, indem sie in Frage kommende Liegenschaften für gemeinschaftliche Wohnprojekte auf einem aufgehängten Lageplan gekennzeichnet hatte. Sie betrafen verkehrsmäßig günstige innenstadtnahe Lagen, im Bereich des Klinikums Gliesmaroder Straße, des Klinikums Holwedestraße, des Gliesmaroder Bades und der Blumenstraße.

Über durchgeführte und geplante bauliche Wettbewerbe wurde vom Vertreter der städtischen Behörde (Herr Dierks, Tel. 470-2388) in  Bezug auf Termine berichtet; konkrete Bauvorhaben  und deren Nutzungskonzepte konnten nicht erläutert werden. Eine 2. Info-Veranstaltung hat das „Netzwerk“ am 31.Mai 2011  vorgesehen.

Daran anschließend stellten sich aus dem Kreis der schon bestehenden und der erst sich bildenden Wohngruppen auch zwei von ihnen durch ihre VertreterInnen persönlich vor: 1. die Wohngemeinschaft von „Nächstenliebe e.V“.; 2. die „Wohnverwandtschaft Braunschweig“ (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!).  Beide Projekte berichteten aus ihren Erfahrungen und Diskussionen seit ihrer Gründung und gaben dem Publikum Gelegenheit zu Nachfragen.

Den Anfang machte die schon seit einigen Jahren bestehende Wohngemeinschaft aus dem Netzwerk Nächstenliebe e.V. (Ilmweg 40); bei ihrem Bericht stand die Aufgabenteilung zwischen den einzelnen Haushaltungen und den gemeinsamen Räumen und Einrichtungen im Mittelpunkt. Bedeutsam bei dieser Realisierung vom gemeinschaftlichen Wohnen erschien mir, dass deren Wohnungen bei der Baugenossenschaft Wiederaufbau nicht an den Kauf einer Wohnung gebunden waren; für die gelebte Gemeinsamkeit war von der Baugenossenschaft eine separate Wohnung zur Verfügung gestellt worden, für die sich die gemeinschaftlich wohnenden Mieter lediglich die Nebenkosten zu teilen haben. Bemerkenswert erschien mir auch die religiöse Basis dieser Mietergemeinschaft, die an die freikirchliche evangelische Friedenskirche  gebunden ist: regelmäßige Gebetsstunden und Andachten sowie christlich geprägte Vorstellungen und Lebenspraxis drücken das Grundverständnis der Bewohner aus. Auch verstehen sie ihre Gemeinschaft als eine generationsübergreifende von 0 bis 60+ mit wachsendem Kinderanteil; insgesamt sind sie von der bisherigen positiven Entwicklung ihres Zusammenlebens überzeugt.

Die 2. Vorstellung galt dem Projekt in der Gründungsphase unter dem Motto „Wohnverwandtschaft“, seit Ende 2009 aktiv, sich als geschlossene Gruppe von zur Zeit 12 Personen mit zumeist akademischen Hintergrund verstehend und sich am gemeinsamen Erleben von Kultur, Kreativität und Bewegung orientierend, d. h. an einem höherwertigen kommunikativen Bereich zum Kochen, Essen, Treffen, Klönen, Tanzen, Werken, Meditieren etc. mit Garten, Balkon, Terrasse.  Hier wird Erwerb von Wohneigentum angestrebt mit ca 50-80 qm je Wohneinheit; auch wird Wert gelegt auf eine gute öffentliche Infrastruktur in der Stadtmitte und in den Ringgebieten.
 
Die weitere Entwicklung der am Gemeinschaftswohnen Interessierten wird zeigen, ob sich hauptsächlich gut situierte InteressentInnen mit Möglichkeiten zum Eigentumserwerb angesprochen fühlen werden oder ob auch weniger finanzkräftige BürgerInnen an derartigen Wohnformen teilnehmen können. In jedem Fall wird allen Beteiligten auch der Bruch mit einem unreflektierten Eigentumsdenken abverlangt werden, wenn im kleinteilig persönlichen Bereich Rücksicht und Verantwortung für das Wohnen in Gemeinschaft im Vordergrund stehen muss.