Haushalt 2008: Herr Pesditschek macht einen Vorschlag, Herr Sehrt wird wild!

Sage keiner, die Braunschweiger bekämen nichts geboten. Da macht einer einen konkreten, konstruktiven Vorschlag zum Haushalt der Stadt - und ein anderer flippt schier aus, wird grob unsachlich und versucht ihn mit hohlen Argumentationskeulen zu erschlagen.

Im Einzelnen: Herr Pesditschek (SPD) hat darauf hingewiesen, dass die Stadt schon im laufenden Jahr 10 Millionen Euro mehr einnehme als im Haushalt veranschlagt und dass diese Tendenz sich im nächsten Jahr fortsetzen werde. Da im Rat der Stadt allgemein davon ausgegangen wird, dass für die Sanierung von Schulen, Kindertagesstätten und anderen städtischen Gebäuden in den nächsten 10 Jahren etwa 100 Millionen Euro aufzubringen sind, schlägt Pesditschek vor, einen wesentlichen Teil der Mehreinnahmen für die Sanierung städtischer Gebäude zu verwenden. Die Substanz müsse erhalten werden, außerdem könnten so Energiekosten eingespart werden (BZ, 9.11.07). Das klingt nicht unvernünftig. Offenbar soll nichts verschwendet werden, im Gegenteil: der Wert des öffentlichen Eigentums der Bürger soll vor weiterem Verfall geschützt werden, und das so schnell wie möglich.

Nun aber Herr Sehrt: mit keinem Wort geht er auf den Vorschlag ein, er lehnt ihn nicht einmal ab! Statt dessen wirft er pauschal Pesditschek vor, dieser fordere "wieder mal", "das Geld mit vollen Händen auszugeben" (Pressemitteilung CDU-Ratsfraktion 9.11.07). Statt "gute, zukunftsweisende Ideen" zu entwickeln, ergehe er sich lediglich im Kritisieren. Er, Sehrt, sehe nun die Kultur des politischen Umgangs zwischen CDU und SPD gefährdet.

Was bewegt ihn? Ist es nur die Tatsache, dass Pesditschek es gewagt hat, den Oberbürgermeister zu kritisieren? Oder ist Sehrts Reaktion eine Auftragsarbeit? Immerhin hält er sich an die Richtung einer von Dr. Hoffmann zwei Tage zuvor verbreiteten Erklärung, in der dieser vor einem "unbesonnenen Griff in die scheinbar gefüllte Kasse" gewarnt hatte (Pressemitteilung der Stadt, 7.11.07). Der unvoreingenommene Leser wundert sich nun aber eher noch mehr, hatte doch Dr. Hoffmann selber schon im Mai auf das Problem des Sanierungsstaus bei städtischen Gebäuden hingewiesen (BZ, 25.5.07). Zur Lösung eben dieses Problems macht doch Pesditschek seinen Vorschlag.

Wenn das Dr. Hoffmann und Herrn Sehrt nicht gefällt, müssen sie andere als sachliche
Gründe dafür haben. Vielleicht ist es dieser: Dr. Hoffmann könnte sein drittes großes
Privatisierungsprojekt in Gefahr sehen. Schon im Mai hat er angedeutet, dass er "eine
Lösung mit privatwirtschaftlicher Beteiligung" "nicht ausschließe". Dementsprechend soll
"ein Beratungsunternehmen mit Erfahrungen in der Gebäudewirtschaft und Privatisierungen" beauftragt werden, das dann in zwölf Monaten eine Studie vorlegen soll.

Die Richtung des darin enthaltenen Vorschlags dürfte klar sein. Wer Zweifel daran hegt, sollte einfach die Seite "Immobilienmarkt" in der FAZ lesen. Die Investoren drängen geradezu darauf, Einfluss auf die kommunalen Wohnungsbestände zu bekommen und Kapital in die Sanierung öffentlicher Gebäude zu stecken. "Keine Angst vor Wohnungs-käufern!" und "Der (private, A.M.) Immobilienmarkt ist langsam leergefischt" und "Investoren entdecken die Chancen der Stadtentwicklung" springt es einem da entgegen.

Ständig werden neue Pläne vorgetragen, wie Private in diesen lukrativen Markt einsteigen können, ohne dass dies durch die "privatisierungsscheuen" Bürger verhindert wird. Was da etwa als PPP-Modell der Mondura (FAZ, 5.10.07) oder als Vorschlag der Colonia Real Estate AG (FAZ, 7.09.07) vorgestellt wird, erinnert deutlich an die von Dr. Hoffmann in der BZ vom 25.5.07 geäußerten Gedanken. Natürlich ist es nicht verwerflich, auch darüber nachzudenken, privates Kapital für die Stadt nutzbar zu machen. Gefährlich wird es erst dann, wenn nicht ausführlich und mit offenem Ausgang darüber öffentlich diskutiert wird und wenn die Risiken und die Bedingungen den Bürgern nicht bekannt sind. Nach den Erfahrungen mit den bisherigen Privatisierungen sind da Zweifel erlaubt. Und die heftige, ansonsten kaum nachvollziehbare Reaktion des Herrn Sehrt vertieft diese Zweifel: alternative Vorschläge und öffentliche Debatten stören nur.