Richtig Einkaufen im falschen System. Geht das?

Frau Dr. Lichte-Dierks vom Weltladen in der Goslarschen Str. mit ihrem fairen Bauchladen auf dem Kohlmarkt am Samstag den 4.4.2015 vor dem Stand des Vereins "FAIR IN BRAUNSCHWEIG". Anlass war Start und Ende des Ostermarsches (Fahrraddemo) organisiert vom braunschweiger Friedenszentrum, denn fairer Handel ist von Friedenspolitik nicht zu trennen.

Die Eröffnung des Textildiscounters Primark bietet Anlass mal wieder grundsätzlich über das richtige Einkaufen, das heisst, dass zukunftsorientierte Einkaufen nach ethischen Werten, nachzudenken. Klar ist, dass viele Menschen schon heute ein gutes Gewissen haben möchten, wenn sie einkaufen. Wer möchte schon verantwortlich sein für den Tod oder schlimmste Ausbeutung von unschuldigen Kindern? Von Kindern, wie z. B. in den Kakaoplantagen Westafrikas, wo Kinderhände den Kakao produzieren, den wir als Ostereier und niedliche Schokohasen gerade jetzt verzehren - zu Ostern. Nichts ist schlimmer für ein Unternehmen als mit den üblen Auswirkungen des Kapitalismus direkt in Kontakt gebracht zu werden. Kapitalismus ja, aber bitte nicht mit seinen Wirkungen. "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass", so die landläufige Erkenntnis. Nur - das geht nicht.

 Helfen sollen Standards und Siegel, Selbstverpflichtungserklärungen der Industrie und des Handels, Kontrollen in der Produktion usw. Das Problem: Möglichst sollte nichts verändert werden, der Kunde sollte es aber bitte nicht wissen, denn nichts ist umsatzschädigender als Unglaubwürdigkeit. Also wird alles getan, um zu verschleiern. Das "Greenwashing" ist zur Perfektion entwickelt - das gute Gewissen steht im Regal. Lesen Sie dazu von Kathrin Hartmann: "Weltrettung zu kaufen".

Kathrin Hartmann ist Autorin des Buches "Ende der Märchenstunde - Wie die Industrie Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt" (Blessing, 384 Seiten).

"Wenn man heute einkaufen geht, könnte man auf die Idee kommen, die Weltrettung stünde unmittelbar bevor: Wer einen Kasten Krombacher kauft, rettet einen Quadratmeter Regenwald. Wer einige der jährlich hergestellten 500 Mio. Iglo-Fischstäbchen aus gefährdetem Alaska-Seelachs isst, trägt zum Schutz der Meere bei. Und weil Mc Donald´s beschlossen hat das Firmenschild grün anzumalen, gilt auch Burger essen als praktizierter Umweltschutz.

Es gibt kaum mehr ein Unternehmen , das nicht seine Verantwortung auf der Internetseite oder ein Produkt auf den Markt gebracht hätte, das der "Konsumentendemokratie" nützt. Die Idee dahinter ist einfach: Wenn genügend Menschen ökologische und sozialverträgliche Produkte kaufen, stellen Unternehmen nur noch "gute" Produkte her. Lifestyle of Health and Sustainability - kurz Lohas - heißt der ethisch verbrämte Kauftrend.

Bio heißt nicht fair

Leider gibt es nicht für jedes Produkt einen korrekten Ersatz, sondern meist nur die bessere Alternative. KundInnen können sich  oft nur für ein ethisches Kriterium entscheiden - kauft aber alles, was am Produkt hängt, mit. Wer bei Lidl bio und fair kauft, unterstützt die schlechten Arbeitsbedingungen und das Preisdumping des Discounters, der LebensmittelproduzentInnen weltweit in Armut hält. Wer Biobaumwollenes bei H&M oder C&A erwirbt, kauft die entsetzlichen Zustände auf den pestizidverseuchten Baumwollfeldern mit, von denen das Material für die Masse an Billig-Kleidern in einer anderen Abteilung des Ladens stammen. Und dass der Rohstoff bio ist bedeutet nicht, dass die Menschen die Kleider in anderen Ländern weben, färben und nähen, von ihrem Lohn leben können.

Es gibt kein richtiges Einkaufen im falschen Wirtschaftssystem.

Die Konsumentendemokratie vermag das, was sie sich zum Ziel gesetzt hat, am wenigsten zu leisten. Sie ändert Unternehmen nicht, im Gegenteil. Den Konzernen sind Lohas kein Dorn im Auge. Lohas sorgen für mehr Profit, weil sie die Unternehmen für ihr angeblich "gutes" Verhalten mit dem Kauf ihrer Produkte belohnen.

Wenn es der kaufkräftige Kunde wünscht, stellen ihm die Konzerne gern Umweltschutz und Menschenrechte ins Supermarktregal.

Ablasshandel

"Greenwashing" heißt diese Form der Krisen-PR, mit der sich Unternehmen aus der Schusslinie bringen. Ihr schädliches Kerngeschäft ändern sie freilich nicht. Es ist ein Ablasshandel, unter dessen Mäntelchen alles bleibt wie es ist: Die Unternehmen behalten ihre verheerende Wirtschaftsweise, die KonsumentInnen ihren aufwendigen Lebensstil."

Aus: "Brennpunkt, Aktionszeitung der Kampagen für Saubere Kleidung", Seite 1.