(Spar-)Kasse machen - beiläufige Bemerkungen zum Gutachten von Michael Nierhaus.

"Rechtsprobleme der Gründung einer kommunalen Sparkasse" überschreibt Michael Nierhaus eine Studie, die er "im Auftrag des Oberbürgermeisters der Stadt Braunschweig als Gutachten erstellt hat." (Link - P.S. 14.01.07 Das eigentlich sehr gute Gutachten ist nun leider aus dem Netz genommen worden und über den Link nicht länger verfügbar - aus welchen Gründen auch immer - meine Anmerkungen halte ich nach wie vor für richtig) Gegenstand sei "demgemäß die Durchsetzung der kommunalen Sparkassenhoheit im Geschäftsbereich einer Landesbank", wobei der Titel etwas verfehlt gewählt wurde, denn „Rechtsprobleme“ findet Nierhaus eigentlich keine. Angemessener hätte es „demgemäß“ heißen sollen: "Keine Rechtsprobleme für die Gründung einer kommunalen Sparkasse der Stadt Braunschweig!"

Nierhaus argumentiert wie folgt: So, wie Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz zur kommunalen Selbstverwaltungsgarantie übereinstimmend interpretiert wird, garantiert dieser Absatz auch die so genannte "Organisationshoheit" der Kommunen und Kreise über das Finanzwesen, welche wiederum das Recht umfasst, die Trägerschaft für eine öffentlich-rechtliche Sparkasse zu übernehmen. Das Grundgesetz schreibt also die Möglichkeit der Bildung einer kommunalen Sparkasse vor, und das Land kann per Gesetz lediglich Rahmenbedingungen dafür festlegen. Zwar muss die Gründung vom Land genehmigt werden, aber ein Genehmigungsvorbehalt steht dem Land nur für den rechtlich einwandfreien Vollzug einer kommunalen Sparkassengründung zu, es hat ausschließlich dafür zu sorgen, dass Gründung und Betrieb der Sparkasse im gesetzlichen Rahmen erfolgt. Eine Sonder- oder Fachaufsicht, die politische, insbesondere landespolitische Interessen durchsetzen könnte, stünde dem Land nicht zu. „Die Stadt Braunschweig ist ... berechtigt, im Stadtgebiet eine eigene kommunale Sparkasse zu errichten und zu betreiben“, so das eindeutige Fazit des Gutachtens.

Erst einmal und in der Hauptsache argumentiert Nierhaus erfrischend klar und überzeugend. Zwei Aspekte werden aber so beiläufig zur Seite gewischt, dass hier speziell auf sie eingegangen werden soll:

"Wirtschaftlichkeit" als Rechtsbegriff


Wenn Nierhaus von "bloßer Rechtsaufsicht" des Landes spricht, der eine kommunale Sparkassengründung unterliege, dann meint er das doch auch in einem "erweiterten" Sinn. Seine Ausführung zum erweiterten Sinn beschränkt sich auf einen einzigen Absatz im 68-seitigen Gutachten: "Weiterhin wird allgemein, auch im sparkassenrechtlichen Fachschrifttum die Ansicht vertreten, der Genehmigungsmaßstab müsse auf den Rechtsbegriff der "Wirtschaftlichkeit" ... oder der "kommunalwirtschaftlichen Vertretbarkeit" zurückgeführt werden. ..."

Hinter dieser Erweiterung könnten sich dann vielleicht doch einige Probleme verbergen. Nierhaus selbst meint an anderer Stelle, wenn es um wirtschaftliche Auswirkungen ginge, müsse schon ein betriebswirtschaftliches Gutachten angestellt werden. "Ein rechtswissenschaftliches Gutachten kann dies nicht leisten." Umso problematischer, wenn auch die Beurteilung der "Wirtschaftlichkeit" eines Sparkassenprojektes Aufgabe der Rechtsaufsicht ist. Schließlich gibt es da mit dem KWG (Kreditwesengesetz) ein eigenes Gesetzeswerk, das auch der Höhe von Eigenmitteln und Liquidität einen gesetzlichen Rahmen gibt.

In einem Interview, das Nord/LB Vorstandsvorsitzender Hannes Rehm der Welt und der Berliner Morgenpost Anfang 2006 gab, meinte er:  „Der Aufbau einer neuen Sparkasse macht ökonomisch keinen Sinn.“ - womit die Sparkasse denn nach seinem Urteil eher nicht genehmigungsfähig wäre - sofern Rehm hier Recht hat und den wirtschaftlichen „Sinn“ meint, den eine kommunale Sparkasse zu erfüllen hat, d.h. den betriebswirtschaftlichen „Sinn“ und darüber hinaus und in der Hauptsache den wirtschaftlichen Nutzen für die Kommune, in unserem Fall die Stadt Braunschweig.

Zweckverbände sind keine kommunalen Gebilde im Sinne des Artikel 28 GG


Artikel 28 Abs. 2 des Grundgesetzes, der das kommunale Selbstverwaltungsrecht garantiert, wozu nach allgemeiner Rechtsauffassung auch die „Sparkassenhoheit“ gehört, baut systematisch auf Artikel 28 Abs. 1 auf, dem so genannten "Homogenitätsgebot", das die "Einheitlichkeit" des republikanischen, demokratischen und sozialen Grundsätzen verpflichteten Gemeinwesens über die Organisationsgrenzen hinweg festlegt. Diese Grundsätze sollen nicht nur für den Staat und die Länder gelten, sondern auch für die kommunalen Gebilde.

Das mit Absatz 2 festgesetzte Selbstverwaltungsprivileg gilt also für genau die kommunalen Gebilde, die in Absatz 1 des Grundgesetzartikels definiert sind. Das Privileg ist gebunden an die Pflicht zum demokratischen Verfahren mit der Bildung einer "Volksvertretung" aus freien, gleichen und geheimen Wahlen. Vom Grundgesetz garantiert ist die Selbstverwaltung und damit die Möglichkeit zur Gründung einer eigenen Sparkasse folglich nur Gemeinden und Gemeindeverbindungen (Kreise oder Samtgemeinden), nicht aber den "Zweckverbänden", zu denen sich Kommunen und Gemeindeverbindungen zur Lösung spezifischer kommunaler Aufgaben zusammenschließen können.

Dies ist insofern von Bedeutung, wie zur Gründung einer "wirtschaftlichen" Sparkasse derzeit eine Masse erforderlich sein mag, die von einer Kommune oder einem Kreis allein womöglich nicht erreicht wird. Nun ist den Kommunen mit dem Selbstverwaltungsrecht zwar auch die "Organisationsheit" und damit die Möglichkeit eines Zusammenschlusses zu Zweckverbänden garantiert. Aber um solch einen Zusammenschluss vollziehen zu können, müssen vielleicht doch erst einmal die Sparkassen gegründet sein, die sich dann zum Zweckverband zusammenschließen.

Nierhaus (S. 20-21) wischt diese, für die Praxis womöglich entscheidende Differenz salopp unter den Tisch, wenn er den Gegenstand seiner Studie einleitend beschreibt:

Nachfolgend wird mit Blick auf die Stadt Braunschweig nur das gemeindliche, nicht auch das kreiskommunale Selbstverwaltungsrecht behandelt. Diese Vorgehensweise ist auch deshalb gerechtfertigt, weil sich hinsichtlich der Sparkassengründungsbefugnis für die möglichen Sparkassenträger Gemeinden, Landkreise und kommunale Zweckverbände [Hervorhebung K. E.] im Ergebnis keine verfassungsrechtlich relevanten Unterschiede ergeben. Ist der Stadt Braunschweig verfassungsrechtlich verbürgt, eine eigene Sparkasse zu errichten, so gilt das Gleiche auch für die umliegenden (Städte und) Landkreise. Auf den unterschiedlichen Garantiegehalt der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden einerseits und der Landkreise andererseits ... kommt es somit vorliegend nicht an.

Fürwahr, Kommunen und Kreise dürfen Sparkassen gründen, Zweckverbände dürfen zum kommunalen Träger von Sparkassen werden, die Möglichkeit von Sparkassengründungen ist letzteren aber zumindest durch das Grundgesetz nicht garantiert. Wie Pieroth (GG-Kommentar 2006) klarstellt, gehören Gebilde die „wie insb. Zweckverbände nur Einzelaufgaben verfolgen“ gerade nicht zu den durch Artikel 28 Abs. 2 privilegierten Gemeindeverbänden. Und auch Nierhaus-Schüler Ivo Lormes (in: Kooperation von Gebietskörperschaften zur Aufgabenerledigung) weiß entsprechend zu differenzieren:

Seiner Rechtsnatur nach ist er [der Zweckverband, K.E.] eine Verbandskörperschaft des öffentlichen Rechts, der seine Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung verwaltet, nach juristisch herrschender Meinung aber kein Gemeindeverband ist. ... Der Zweckverband unterliegt der allgemeinen Staats- und (je nach Aufgabe) der Fach- sowie der Sonderaufsicht.

Im Weiteren stützt sich Nierhaus argumentativ auf das Niedersächsische Sparkassengesetz, das in § 1 Abs 1 die möglichen Sparkassenträger benennt und Gemeinden, Landkreise und Zweckverbände, zu denen sich Gemeinden und Kreise zusammenschließen können, in einem Atemzug nennt: „Träger von Sparkassen können Gemeinden, Landkreise und Zweckverbände sein (kommunale Träger). Den Zweckverbänden dürfen nur kommunale Körperschaften angehören.“ Daraus allein lässt sich aber kaum die Schlussfolgerung ableiten, dass alle Rechtsansprüche von Kommunen und Kreisen ebenso unbedingt auch für Zweckverbände geltend gemacht werden können.

Im Fall einer Normenkollision gilt erst einmal ranghöheres Recht. Was immer also das Niedersächsische Landesrecht bestimmt, erst einmal, vorrangig gilt das Grundgesetz, welches Kommunen, nicht aber Zweckverbänden das Recht zur Sparkassengründung zuschreibt. Im weiteren gilt dann spezielleres Recht vor allgemeinerem Recht. Wenn daher das spezielle Nord/LB Gesetz § 13 Abs 1 bestimmt, dass die Nord/LB die Braunschweigische Landessparkasse führt, und mit Abs. 4 weiter bestimmt, dass „die Bank mit Zustimmung der Niedersächsischen Landesregierung die Landessparkasse ... auf kommunale Körperschaften übertragen kann“, dann mag daraus für die Kommunen und Kreise über das Grundgesetz ein unbedingter Rechtsanspruch auf eine Sparkassengründung abzuleiten sein - wenn und soweit sich eine kommunale Sparkasse „wirtschaftlich“ darstellen lässt. Nicht in gleicher Weise kann das aber für Zweckverbände gelten, denn es liegt nahe, dass es für unterschiedliche kommunale Gebilde auch unterschiedlich Genehmigungsvorbehalte geben kann. Wenn Nierhaus also für Zweckverbände den gleichen unbedingten Anspruch auf eine Genehmigung zur Sparkassengründung behauptet, dann hätte er das doch gesondert darzulegen und zu begründen, worauf er in seinem Gutachten aber leider verzichtet.

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Das Hauptproblem scheint mir hier aber nicht juristischer Art, das Hauptproblem ist, dass Rat und Öffentlichkeit vom Oberhaupt der Verwaltung wieder einmal im Dunkeln gelassen und nicht vernünftig, ja eigentlich überhaupt nicht über die Vor- und Nachteile bzw. die Risiken einer eigenen Sparkasse informiert werden. Denn dazu müssten dann auf jeden Fall auch einmal die Gründe und Angebote der „Gegenseite“ gehört und zur Kenntnis genommen werden können. Pittoreske Prügelszenen im Ring der Braunschweiger Zeitung können eine serIöse Informationspolitik leider nicht ersetzen.