Braunschweig bekommt ein neues Image

Braunschweig bekommt ein neues Image - VW zwischen Welfengeschichte und (Flughafen) Mobilität

VW-nah wurde am 15.3.2012 im Wirtschaftsausschuss eine Konzeption 2020 (sog. Regions-RIK-Studie) zur weiteren Entwicklung der Region Wolfsburg-Braunschweig präsentiert.

Damit läßt der Aufsichtsrat der neu-gegründeten Wolfsburg-Braunschweig Allianz unter Vorsitz des VW-Mannes Neumann und der beiden Oberbürgermeister Wolfsburgs und Braunschweigs die Katze aus dem Sack.

Während die Wirtschafts- Arbeits- und Produktionssteuerung einschl. Forschung für beide Städte in Wolfsburger Hand liegt, bleibt für die übrige Region eine Rolle vor allem der Reproduktionsbereich, und da soll vor allem Braunschweig auf die Sprünge geholfen werden.

Es geht um die Umgestaltung der ganzen Region Braunschweig-Wolfsburg bis zum Jahr 2020 - jetzt vorgelegt zur Beratung im Wirtschaftsausschuß der Stadt Braunschweig am 19.4.2012 - von der gemeinsamen Wirtschaftsförderungs-Gemeinschaft unter Vorsitz von VW-Vorstandsmitglied Neumann mit Wolfsburgs und Braunschweigs Oberbürgermeistern als Beisitzern.

Um dieses rd. 500 Seiten starke Konzept gibt es Geheimniskrämerei, nur den Fraktionsstellen wurde die mit Passwort geschützte Datei zur Verfügung gestellt. Mal sehen, warum:

"Region Braunschweig fehlt das Image"

Es gibt eine grobe Zweiteilung zwischen Industrie und Dienstleistung. Wolfsburg mit VW ist per se für die Region der industrielle Taktgeber, da haben die anderen Partner-Kommunen eh nichts zu melden. Folgerichtig geht es in der Entwicklung der Gesamtregion dann nur noch um die Gestaltungen des Dienstleistungssektors und vor allem um das "Image" der Region: Das Leitziel ist die "nachhaltige Steigerung der Lebensqualität und die Schaffung von Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor in der Region Braunschweig-Wolfsburg." (RIK-Studie)

Es gehe um "./..positiveres Image ... und die Region als Tourismusdestination zu entwickeln."(Rik-Studie) Denn der Tourismus stagniere und gehe sogar leicht zurück, Wolfsburg habe erste Ansätze zum Freizeittourismus realisiert, während z.B. Braunschweig gerade mal bei den Übernachtungen mit Wolfsburg auf gleichem Niveau (479- zu 475-Tausend Übernachtungen) liegt.Daher bescheinigt die Studie der Region dann insgesamt "verstaubtes Image" und "Mangel an internationaler Attraktivität und
Anziehungskraft". Die Region gerate ins Hintertreffen gegenüber Nachbarregionen, wenn nicht die vorhandenen Stärken und Chancen ausgebaut würden, welches sind:
- Sitz international bekannter Firmen und Marken
- verkehrsgünstige zentrale Lage
- Zeugnisse weltkulturellen Erbes
- bedeutende Schätze deutscher Geschichte und Kultur
- einzigartige Natur- und Landschaftsgebiete (Harz)

Dafür seien "nachhaltige Tourismusstrategien mit authentisch regionalen Geschichten und naturräumlichen Reisezielen zu entwickeln". Als Marken-Pfunde sieht man den Harz mit Kaiserpfalz (GS), über Lessing (WF), über die Welfen bis zu den Unternehmens-Marken VW, Salzgitter-Stahl, New Yorker und Jägermeister etc.

Es gebe fünf Schlüsselbegriffe zum Handeln: "Wandel, Verbindungen, Magie, Innovation und Mobilität". In einem Kreativprozeß seien diese Begriffe zu verdichten, um das
"Leitthema Mobilität" und diejenigen Entwicklungen, "die es im Bereich "Verkehrstechnik" in dieser Region gibt und in der Vergangenheit gegeben hat" (RIK-Studie).

"Leitthema Mobilität"

 Um dieses VW-bestimmte Leitthema sollen sich sogenannte "Erlebnisräume" mit "Erlebnispfaden" gruppieren. Im Erlebnisraum "Ursprung und Herausforderung" finden sich dann bezogen auf die einzelnen Standorte z.B. auch der "Wohlstand & Adel Erlebnispfad" (mit Historie rund um die Welfen auf  Braunschweig gemünzt), der "Industriekulturpfad", "Dichter & Denker-Erlebnispfad" oder die "Erlebnisstraße Deutsche Einheit".

Für Braunschweig bemängelt die Studie im Kapitel ihrer Bestandsaufnahme u.a.: "Die prägende Geschichte der Welfen ist nicht erlebbar". Dementsprechend dann das Konzept mit dem "Wohlstand & Adel-Erlebnispfad" und als Chance "Inszenierung der Geschichte der Welfen".

 

"Schlüsselbegriff Herzogtum und Welfenstadt Braunschweig"

Im Kapitel "Thematische Entwicklung" werden die Schlüsselbegriffe dann für Braunschweig noch einmal ganz deutlich erläutert: "historische Kultur- und Handelsstadt, "Herzogtum und Welfenstadt", "Zentrum für Forschung, Stadt der Wissenschaft und Innovationen, Stadt der Musik". Der Erlebnispfad /Wohlstand & Adel/ wird folgendermaßen für eine "regionale Schlüsselrolle" konkretisiert:

"Die "Wohlstand und Adel" - Geschichte nimmt eine regionale Schlüsselrolle ein, denn sie berichtet über eindrucksvolle kulturelle Stätten, Persönlichkeiten und Ereignisse, die geprägt waren von Konflikten, Blutvergießen, Liebe, Opfer und Triumpf. Dieser Erlebnispfad führt die Besucher nicht nur zu Schlössern und prunkvollen Bauwerken, sondern auch zu Bibliotheken, Museen und Universitäten und zu ehemals bedeutsamen Handelswegen, die allesamt Teil dieser Geschichte sind.

Die Geschichte der Welfen beispielsweise ist beheimatet in Braunschweig und Wolfenbüttel. Der große Einfluß und die Bedeutung der Welfen wird den Besuchern auf diesem Erlebnispfad interessant und anschaulich vermittelt." (RIK-Konzept, Seite 277) Und so haben wir dann den Konzept-Schluss mit der welfischen Marketing-Rolle Braunschweigs für Wolfsburgs Mobilitäts-Entwicklungsvision als Marketing-Gag für die Region Braunschweig-Wolfsburg.

"Mobilität: Entwicklung zur Verkehrskompetenzregion"

Kommen wir also zurück zum eigentlichen Ausgangspunkt und Beweggrund für das ganze RIK-Konzept. Die Region Braunschweig-Wolfsburg entwickele sich "zukünftig zur Verkehrskompetenzregion" (Seite 385).

"Flughafen im verkehrlichen Kreuzungspunkt" in der Mitte des Regionsgebietes. Deswegen sollen dort am Flughafen die zwei Anker-Attraktionen entstehen:

1. "Das zentrale Besucherzentrum "der Gesamt-Region" - ggf. in Kombination mit einem sowieso schon geplanten Flughafen-Informationszentrum - im Kreuzungsbereich A2/A39 entstehen.

2. "Eine Monorail-Trasse" zwischen BS-Hauptbahnhof, Flughafen und Autostadt Wolfsburg

Um diese Monorail sinnvoll in die touristischen Ströme einzubinden, könnte am Flughafen eine Erlebnisattraktion entstehen, die die Verkehrskompetenz der Region zum Thema Luft- und Raumfahrttechnik inszeniert... sollte im Zusammenhang mit dem von der Stadt Braunschweig geplanten Besucherinformationszentrum am Flughafen erfolgen." (RIK S. 386)

"Erlebnispfad Mobilität"

Obige zwei Anker-Attraktionen verbinden sich mit dem dritten Anker der Autostadt (Wolfsburg), dort eingebettet in Erlebnisräume von Phaeno, Kunstmuseum, Allerpark etc.

Soweit ein Kurzversuch eines roten Fadens in der doch sehr VW (Wolfsburg) zentrierten Vision der zukünftigen Region. Das ganze bekommt dann im Zusammenhang mit dem Kulturkonzept 1913-2013 (ehemals 100-Jahrfeier der Kaisertochter Victoria Luise) für die Gestalter Braunschweiger Stadt-Identität eine weitere Dimension.

Kommentar

Die ganze Region hängt immer stärker am Nabel von VW. Beide Städte und die Region werden immer stärker vom VW-Konzern aus Wolfsburg regiert, das führt der vorgelegte Masterplan 2020 ungeschminkt vor Augen.

Es stellt sich die Frage wer das Sagen hat und wer regiert ?

Die Selbständigkeit Braunschweigs schwindet, die Macht-Elite von VW hat längst auch politisch das Ruder übernommen, die gewählten Räte der Städte Wolfsburg, Braunschweigs und der übrigen Region können das nicht mal mehr kaschieren, sie re(a)gieren nicht mal mehr, sie gehorchen schlicht.

Und da sind wir bei der Untertänigkeit. Das ist eine gefährliche Entwicklung, nicht nur im Hinblick auf die verdummende Geschichts-Interpretation rund um Braunschweigs "verwelften Strahlenfranz", sondern auch wirtschaftlich alles andere als weitsichtig, denn die Schwerpunkte der Autoproduktion werden weltweit neu verteilt - Detroit läßt grüßen.