Tierhaltung in Massen - Wer trägt die Verantwortung? Teil 2

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Der Produzent steht in Verantwortung

Produzent ist der Geflügelkonzern (z. B. der Größte Wesjohann Marke Wiesenhof). Die deutschen Geflügelhalter sehen sich in der Öffentlichkeit immer mehr Anfeindungen ausgesetzt. Nach kritischen TV-Berichten über die Haltung, nach Protesten zum Schlachthof Wietze und Blockaden neuer, genehmigter Mastställe sind zuletzt zwei Anlagen innerhalb der letzten Monate in Brand geraten. Peter Wesjohann meint: "Das ist moderne Hexenverbrennung".

Die Produktion von Masthühnern erfolgt streng arbeitsteilig unter der Federführung des Geflügelkonzerns. Die Produktionsweise ist exakt vorgeschrieben, damit das noch lebende Produkt (Das Tier!) termingerecht angeliefert werden kann und die Marge stimmt. Verluste (Tod der Tiere) sind eingepreist. Der Produktionsbetrieb bekommt die Küken und mästet sie in 30 Tagen zur Schlachtreife. Ein Lohnunternehmen holt die Tiere ab und bringt sie zum Schlachthof.

Selbstverständlich steht der Mäster in Verantwortung für seine Tiere. Bei dem Film hier bekommt man einen Einblick in einen Hühnestall. In ihm wird eine Rasse für besonders große Hähnchenbrüste gemästet. So etwas nennt man üblicherweise"Qualzucht"! Nach dem Tierschutzgesetz ist die in Deutschland verboten (§ 11b). Der Mäster ist auch für diese grausigen Vorgänge in seinem Stall verantwortlich (Film) und natürlich für die Medikamentenanwendung (Siehe Teil 1).

Steht der Verbraucher  in Verantwortung?

Verbraucherverantwortung wird häufig gefordert. Das ist grundsätzlich richtig, denn der entscheidet was er kaufen will. Aber wer ist DER Verbraucher? DEN Verbraucher gibt es nämlich nicht. Auch der Handel und die Produzenten ziehen sich gerne auf diese Position zurück. Denn schließlich verkauften sie nur, was der Kunde wünsche und damit begründen sie ihr Verhalten. Stimmt das? Nein, es stimmt nicht. Der Bedarf wird gezielt geweckt. Kein Wochenende ohne Zeitungsbeilage in der für billiges Fleisch geworben wird. Billiges Fleisch ist der Blickfänger, um die Kunden in den Laden zu ziehen. Billiges Fleisch wird produziert, um den Bedarf danach erst zu wecken. Und der Kunde wird auch noch in die Irre geführt, indem die Plastikverpackung mit einem anheimelnden Fachwerkhaus darauf, bäuerliche Landwirtschaft vorgaukelt. Ein positives Gefühl sollen die Kunden beim Kauf haben. Er soll ländliche Idylle als Zusatznutzen kaufen. Das ist zusätzlich Täuschung des Käufers.

Der Marketingexperte Volkmar Lübke, befasst sich in einem derzeit noch unveröffentlichten Aufsatz ("Konsumformen jenseits der individuellen Nutzenmaximierung") mit dem Thema Verbrauchermacht. Er schreibt u.a.:

"Obwohl die Verbrauchermacht also bisher Unternehmen oder Branchen noch nicht in dem erhofften Maße zu sozialer und ökologischer Verantwortung zwingen konnte, sind doch national und international ermutigende Signale erkennbar: In immer mehr Prozessen finden sich Vertreter von NRO – Menschenrechtsgruppen, entwicklungspolitische Verbände, Umweltschützer –, engagierte Mitarbeiter aus dem öffentlichen Sektor, Entscheidungsträger aus Gewerkschaften und von Verbraucherorganisationen zusammen, die erkannt haben, dass die Aufspaltung in unterschiedliche Interessensphären und Strategien nur Nachteile hat. Klassische Organisationsegoismen werden tendenziell überwunden, und es kommt zu langfristigen Kooperationen, die angesichts der komplexen gesellschaftlichen Probleme auch dringend notwendig sind. Beispiele für derartige Netzwerke sind z.B. das deutsche Netzwerk für Unternehmensverantwortung „CorA“ (Corporate Accountability) und sein europäischer Dachverband „European Coalition for Corporate Justice“ (ECCJ). Hauptadressat der Arbeit dieser Verbände ist die Politik, als deren Aufgabe es angesehen wird, Mindeststandards und Regeln festzulegen, um Unternehmen zu einem verantwortlichen Handeln zu bewegen. Zunehmend wird in diesen Netzwerken auch die „Verbrauchermacht“ als ein Teilinstrument im notwendigen Instrumenten-Mix zur gesellschaftlichen Kontrolle von Unternehmensverhalten erkannt und systematisch in die Strategiebildung einbezogen.

 

Ungenügende Informationsbasis

Ein entscheidendes Hindernis für die Ausübung von Nachfragemacht besteht in der ungenügenden Informationsbasis, die Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Öffentlichkeit allgemein zur Verfügung steht. Das  sogenannte „Verbraucherinformationsgesetz“ hat daran nichts geändert, da es auch nach seiner Revision im Jahr 2011 keine Auskunftsrechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber Unternehmen vorsieht.

 

Unter dem Motto „Politik mit dem Einkaufskorb“ wurden VerbraucherInnen in den 1980er Jahren auch zum Hoffnungsträger für gesellschaftlichen Druck auf Unternehmen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Ein entscheidendes Hindernis für die Ausübung von Nachfragemacht besteht in der ungenügenden Informationsbasis, die Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Öffentlichkeit allgemein zur Verfügung steht. Das  sogenannte „Verbraucherinformationsgesetz“ hat daran nichts geändert, da es auch nach seiner Revision im Jahr 2011 keine Auskunftsrechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber Unternehmen vorsieht." 

 


Kommentare   
 
0 #3 Wilma 2011-11-07 10:52
Man kann eine Tomaten-Gurken Debatte nicht mit der Massentierhaltung vergleichen, denn bei Gurken-Tomaten und Sprossen
gibt es kein ethisches Problem
Die Gesundheit des Verbrauchers ist mir dabei ziemlich egal.

Bei der Fleischindustri e geht es um fühlende Wesen, die auf schrecklichste Art und Weise gequält
werden, bis sie geschlachtet werden!
Aber es gibt immer Menschen, denen das ziemlich egal ist, wie man ja auch hier wieder sehen kann.
 
 
 
0 #2 Lilo Feuerbach 2011-11-07 00:11
Mal 'ne Frage an Eva. Fühlten Sie sich etwa ausreichend informiert über die Tomaten-Gurken- Sprossen-Debatt e bei der EHEC-Sache?
Es ist eben für uns Verbraucher eben nicht immer so ohne weiteres möglich, gute Nahrungsmittel von schlechten zu unterscheiden. Allein deswegen ist es auch Sache der Politik, hier mehr Kontrolle auszuüben und Gesetze zu schaffen. Das allein dem Verbraucher zu überlassen ist fahrlässig, wie man bei den EHEC-Fällen gesehen hat und da ging es nicht um Hühnchen! Allein nur die Fleischindustrie und den Tierschutz hier ins Auge zu fassen, halte ich für einseitig. Da muss mehr passieren und zwar flächendeckend. Diese große Aufgabe kann nicht dem einzelnen Verbraucher obliegen!
 
 
 
0 #1 Eva 2011-11-06 20:33
Oh nein, der arme Verbraucher- er kann sich überhaupt nicht wehren.
Er hat keinen Zugang zu irgendwelchen Medien und weiß garnicht, wo Fleisch überhaupt herkommt.
Er wird quasi von der Werbung verführt! Er kann sich nicht dagegen wehren, ist dem Verlangen nach Fleisch hilflos ausgeliefert!

Das ist zu einfach, Herr Meier!

In unser modernen Welt hat jeder Zugang zu den Medien.
Ich würde mal ganz einfach sagen, dass es die meisten Menschen nicht interessiert, wo und wie produziert wird.
Hauptsache billig!
Die meisten werden erst wach, wenn ein Mastbetrieb vor ihrer Haustür gebaut wird- aber dann geht
es auch nicht um das Leid der Tiere, sondern man protestiert, weil das Häuschen weniger wert wird.

Essen Sie noch Hühnchen, Herr Meier?