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Tierhaltung in Massen - Wer trägt die Verantwortung? Teil 1

„Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie Tiere behandelt“ (Mahatma Ghandi).

Aber es geht nicht um Moral, Respekt und Würde der Kreatur - es geht um das Geschäft.

Teil 1

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Vor knapp einem Jahr berichtete der Braunschweig-Spiegel  über eine umfassende Studie von Professor Dr. Jörg Hartung, Leiter des Instituts für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der "Tierärztliche Hochschule Hannover", dass die praxisübliche Haltung mit bis zu 25 Tieren pro Quadratmeter für die Masthühner eine große Qual bedeutet.

Im Grunde ist alles bekannt und alles gesagt. Alle können es wissen, so man es denn wissen will. Nutztiere – hier Hähnchen, werden in Deutschland, insbesondere in Niedersachsen, in größter Enge gehalten. Oder anders ausgedrückt, etwa  40 Kilo/qm Fleisch werden industriell produziert. Der Markt fordert das und der Preis muss stimmen. Der Preis für das kg/qm lebende Fleisch, denn es geht nicht um das Tier, es geht um Fleisch je Quadratmeter. Diese Respektlosigkeit im Ausdruck einer Kreatur gegenüber, ist für unsere Gesellschaft vielsagend.

In der Abt Jerusalem Akademie  gab es zum Thema Massentierhaltung eine Veranstaltung mit zwei renommierten Wissenschaftlern. Die Braunschweiger Zeitung lädt zum Dienstag, 15. November, ab 19 Uhr ins Haus der Wissenschaft zu diesem Thema ein. Sie berichtet am Wochenende zur Massentierhaltung von Hühnern.

Die Politik versagt mit Vorsatz

Gerne berufen sich unsere politischen Entscheidungsträger auf die Wissenschaft - solange technologischer Fortschritt damit verbunden ist. Moralische Bedenken werden als Gedöns und Gefühlsduselei abgetan. Der Zweck "heiligt das Geschäft"! Erkenntnisse der Wissenschaft, die nicht ins Geschäft passen, wie die Studie von Hartung, werden nicht zur Kenntnis genommen. Bei der Hühner/Fleischproduktion ist  Standortsicherung angesagt, da stört die Wissenschaft das Geschäft!

Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Diese bekannte Frage kommt immer dann zum Zuge, wenn Uneinigkeit besteht, wer den "Schwarzen Peter" bei strittigen Fragen hat, also wer Schuld ist an unhaltbaren Situationen. So  bei der Hühnerfleisch-Produktion. Auch bei der Diskussion in der Abt Jerusalem Akademie stand diese Frage im Mittelpunkt. Dabei ist unstrittig: der Gesetzgeber folgt der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht. Und der Gesetzgeber ist die EU und Deutschland! Kurz, unsere gewählten Politiker sind schuldig für diese quälerischen Haltungsformen von Hühnern. Aber das ist nicht alles. Sie sind auch schuldig für die unzulänglichen Kontrollen in den Hühnerställen. Da werden Schnäbel gekürzt und Krallen gestutzt, was seit Jahren verboten ist. Das weiß man im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium und schritt sehr spät ein und verhängte ein Bußgeld. Warum das jahrelange Wegsehen? Weil der Fleischstandort Niedersachsen gesichert werden muss. Gesetz und Kontrollen hin oder her. Legal - illegal - scheißegal, so ein alter Spontispruch, der anscheinend von Ministerien, Aufsichtsbehörden und Produzenten gepflegt wird. Standortsicherung ist angesagt, auch zu Lasten der Bevölkerung durch illegale Antibiotika-Anwendung.

Antibiotika als verbotene Standardanwendung

Bei einer Untersuchung im Auftrag des nordrhein-westfälischen Verbraucherministeriums wurde festgestellt, dass in fast 83 Prozent der geprüften Hühnermast-Betriebe den Tieren bis zu acht verschiedene Antibiotika verabreicht wurden (Siehe Bericht). Unter diesen Bedingungen ist eine tierschutzgerechte Haltung unmöglich.Vermutet wird, dass die Antibiotika teilweise eingesetzt werden, um das Wachstum des Geflügels zu fördern. Dies ist allerdings seit 2006 in der EU offiziell verboten. Zudem birgt die massenhafte Verabreichung antimikrobiell wirksamer Mittel erhebliche Risiken: Es entstehen Antibiotika-Resistenzen, die unter anderem die Verbreitung des Methicillin resistenten Staphylococcus aureus, des MRSA-Keims zur Folge haben und die zu lebensgefährlichen Infektionen beim Menschen führen kann (Siehe BfR). Die Politik setzt damit also Menschenleben aufs Spiel (gefährliches Geflügel). Die besonders gefürchteten MRSA- Erreger wurden laut eines Berichts des Bundesinstituts für Risikobewertung in 25% des verkauften Hühnerfleischs und in 43% des Putenfleischs gefunden. In 52% aller Schweineställe wurden MRSA Erreger nachgewiesen.

Mehr als die Hälfte aller Hühnermastbetriebe in Deutschland haben ihren Sitz in Niedersachsen. Genaue Zahlen, wie viele Medikamente insgesamt in Deutschland eingesetzt werden, gibt es nicht. Aus "datenschutzrechtlichen Gründen" (Bundeslandwirtschaftsministerium) werde auch in Zukunft für die Geflügelbranche nicht aufgelistet, wohin Medikamente geliefert werden. Hier scheint bei der Gesetzgebung die Geflügellobby an dem Gesetz intensiv mitgearbeitet zu haben, sofern nicht schon im Ministerium die Lobbyisten verbeamtet sind.

Mäster dürfen Antibiotika nicht als Wachstumsförderer verfüttern. Der Tierarzt darf Medikamente nur noch verabreichen, wenn Tiere krank sind. Der steigende Verbrauch der Antibiotika liegt vor allem daran, dass meist alle Tiere behandelt werden, auch wenn nur einige Hühner krank sind- und meist leben mehrere Zehntausend in einem Stall. Es stellt sich die Frage, ob die beamteten Tierärzte widerrechtlich handeln oder ob es einen erheblichen illegalen Handel mit Antibiotika gibt. Der Staat hat die Ursachen festzustellen, auch ob es mafiöse Handelstrukturen gibt, an denen u. a. auch staatliche Stellen beteiligt sind.

"In neun von zehn Praxen, in denen ein Landwirt den Tierarzt um eine Flasche Penizillin bittet, bekommt ein Tierhalter das Medikament sofort - auch ohne Untersuchung", sagte Rupert Ebner, ehemaliger Vizepräsident der bayerischen Landestierärztekammer, der Süddeutschen Zeitung. [...] Finde ein Tierarzt unter 30 000 Küken ein krankes Tier, reiche das, um alle Tiere vorsorglich mit Antibiotikum zu behandeln. "Oft schreibt der Tierarzt sogar bewusst eine falsche Diagnose aufs Papier, um eine legale Anwendung mit dem Antibiotikum vorzutäuschen." Ebner ist praktizierende Tierarzt mit 30 Jahren Berufserfahrung und kennt die Gepflogenheiten seiner Branche. Vor zweieinhalb Jahren warf er seine Arbeit bei der Landestierärztekammer hin, weil er dem nicht mehr zusehen wollte. Sehen Sie das aufschlussreiche Interview mit Ebner nach einem kurzen Werbefilm "Die Einflussnahme ist massiv."

 


Kommentare   
 
0 #2 Norbert 2011-11-06 23:16
Adorno, Theodor W. (1903-1969)
Soziologe, Philosoph, Musiktheoretiker und Komponist:

Auschwitz fängt da an, wo einer im Schlachthof steht und sagt, es sind ja nur Tiere.
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0 #1 Wilma 2011-11-06 14:21
Nein- die Politiker sind nicht schuld- sie machen das, was die breite Masse will!
Wir wollen billiges Fleisch- die meisten machen sich keinen Kopf, woher es kommt
Solange der Verbraucher billiges Hühnerfleisch kauft, wird auch billig Hühnerfleisch produziert.
Die Schuld auf die Politik zu schieben ist einfach, so braucht man nicht bei sich selber zu schauen
Jeder von uns trägt die Verantwortung dafür, weil wir wegsehen!
Wie läßt sich dieses quälen der Kreatur mit der christlicher Ehtik vereinbaren?
Warum mischen sich nicht die Kirchen massiv ein?
 
 
 

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