Zum wiederholten Male: Die Privatisierungen waren ein Erfolg!

Zur Presseerklärung der Stadt Braunschweig vom 19. 08. 2011

Mit schöner Regelmäßigkeit widmet sich OB Hoffmann seinem Lieblingsthema: dem angeblichen Erfolg seiner Privatisierungen. Gestern -pünktlich zur Kommunalwahl- war es wieder einmal so weit. Die Stadt veröffentlichte eine Presseerklärung zum Thema Privatisierungen, deren Kernaussage an die Wähler sich vielleicht in diesem Satz findet:

 Beim Verkauf der Beteiligungen sind also strategische Aufschläge in Höhe von rund 168 Millionen Euro erzielt worden.“

Das meint, dass die Stadt durch die Privatisierungen einen Vorteil von 168 Mio € erzielt habe. Dieses ergibt sich laut dem die Presseerklärung untermauernden Schreiben an die Ratsfraktionen  daraus, dass im wesentlichen externe Gutachter festgestellt hätten, dass die von der Stadt veräußerten Einrichtungen 564 Mio € wert gewesen seien, die Stadt aber 732 Mio € dafür erhalten hat.

 

Externe Gutachter stehen im Ruf, objektiv zu sein, und 564 Mio €, 732 Mio €, 168 Mio €  sind ziemlich präzise Zahlen, die nahelegen, dass man hier nicht auf wilde Schätzungen angewiesen ist, sondern die herangezogenen Gutachter den Wert der verkauften Beteiligungen genau eingrenzen können. Ist also wahr, was Hoffmann in dem besagten Schreiben an die Ratsfraktionen verkünden lässt:

„Durch die vorstehenden Ausführungen und Zahlen sind die vier wesentlichen kritischen Vorhaltungen in Sachen Privatisierung zum wiederholten Male eindeutig widerlegt.“

In dem Schreiben an die Fraktionen wird ein Gutachten aus dem Jahr 2000 von Booz, Allen und Hamilton angeführt, das den Wert der Stadtwerke mit 409 Mio € taxiert. Diesen Wert nimmt Hoffmann zur Grundlage seiner Aussage, dass die Stadt allein durch die Verkauf eines 75%-Anteils der Stadtwerke für 453 Mio € einen Gewinn von 146 Mio € erzielt hätte.

Im Schreiben an die Fraktionen wird nun aber auch ein weiteres Gutachten erwähnt, das 1999 von der renommierten  PWC erstellt wurde. PWC attestiert den Stadtwerken nur einen Wert von 225,3 Mio € ; also nur gut die Hälfte dessen, was die erstgenannten Gutachter gerade mal ein Jahr später ermittelten.

Zwei Gutachten, zwei Welten: man hat den Eindruck, dass die präzisen Zahlen beider Gutachter am Ende vielleicht nur die Zuverlässigkeit von Zeitschriften-Horoskopen haben.

Die Fragwürdigkeit, ja geradezu Beliebigkeit von Annahmedaten und Gutachtenergebnissen wird auch deutlich, wenn man sich die beiden KPMG-Gutachten zur Privatisierung anschaut. Im Jahr 2002 erstellte KPMG ein Gutachten, auf deren Basis die Stadtwerke privatisiert wurden. Die Prognose war damals, dass die Stadtwerke in Zukunft ca 32 Mio € pro Jahr Gewinn erwirtschaften würden. Die gleiche KPMG geht in ihrem Gutachten von Ende 2009 aufgrund der tatsächlichen Entwicklungen von sehr anderen Zahlen aus. Für das Jahr 2009, für das sie im Gutachten von 2002 einen Gewinn von exakt 32,480 Mio € zugrundegelegt hatte, weist sie nun im Privatisierungsfall 69 Mio € Gewinn aus, für den fiktiven Nicht-Privatisierungsfall 53 Mio €  - also eine Abweichung um z.T. mehr als das doppelte oder -in absoluten Zahlen- eine Abweichung um mehrere Dutzend Millionen € bei einer angemaßten Genauigkeit bis auf 1000 €.

Lässt sich also gar nichts sagen über die Privatisierungen? Erfolg oder Nicht-Erfolg: steht es völlig in den Sternen? Vielleicht Folgendes: Um so mehr sich ein Gutachten auf Fakten stützen kann, um so weniger es im Nebel zukünftiger Entwicklungen herumstöbern muss, um so zuverlässiger kann es sein. Allein schon deshalb interessieren die Gutachten von 1999 und 2000 für die Frage, ob die Privatisierung vorteilhaft war, jetzt gar nicht mehr. Sie mögen schon 2002 - zum Zeitpunkt des Verkaufs der Stadtwerke - überholt gewesen sein.

Das jüngste Gutachten zur Privatisierung, auf das sich die Verwaltung auch in ihrem Schreiben an die Fraktionen beruft, wurde von KPMG Ende 2009 erstellt. Es gibt einige Hinweise darauf, dass die Annahmedaten in diesem Gutachten zugunsten der Privatisierung geschönt sind. Das müsste nicht verwundern. Zum einen ist KPMG hier alles andere als ein externer Gutachter: soll sie doch darüber urteilen, ob ihre eigene Beratung im Jahr 2002 der Stadt zuträglich war. Zum anderen hat die Stadt an KPMG den Auftrag erteilt, mit diesem Gutachten die Kritik der Privatisierungsgegner zu widerlegen. So steht es jedenfalls in einem uns vorliegenden Schreiben der Stadtverwaltung.
Das sind keine guten Voraussetzungen für eine neutrale Untersuchung der Ergebnisse der Privatisierungen.

 Aber nehmen wir die Annahmedaten von KPMG für bare Münze.

Auf Basis der KPMG-Annahmedaten ergibt sich gemäß der Kapitalwertmethode, die eine Standardmethode in der Betriebswirtschaftslehre ist, für die Stadt ein Verlust von 100 Mio € durch die Privatisierung!

KPMG errechnet allerdings auf gleicher Datenbasis einen Vorteil von 242 Mio € durch die Privatisierung, den OB Hoffmann bei Veröffentlichung des Gutachtens im Januar 2010 prompt freudig verkündete. Doch mit der Methode, mit der KPMG ihr Ergebnis berechnet, gibt es ein Problem: sie ist nicht plausibel, und es ist uns weder gelungen, sie in der Literatur zu finden, noch haben wir trotz intensiver Suche einen Betriebswirt gefunden, der sie kennt.