Der Schwarze Herzog – Warum wurde er glorifiziert? (2)

Seltsam lächerlich wirkende "Denkmal"-Lagerstätte von F.W. am Petritorwall/Am Alten Petritore

Foto: Marlis Zoschke

Friedrich Wilhelm war also kein Held, aber er wurde lange Zeit - bis Mitte des 20. Jahrhunderts - zu einem solchen aufgebauscht. Erleichtert wurde das durch seinen Tod zwei Tage vor Waterloo, wie in der Ausstellung des Landesmuseums  sachlich, fast zynisch festgestellt wird:

„Perfekt wurde der Braunschweigische „Freiheitsheld“, als er auf dem Schlachtfeld für sein Land sein Leben gab.“

Er hatte sofort nach seiner Rückkehr im Dezember 1813 ein völlig überdimensioniertes Korps  von 10 000 Mann aufgestellt, mit denen er  vier Monate später gen Frankreich zog, obwohl Napoleon bereits besiegt war und nach Elba verbracht wurde. Unverrichteter Dinge kehrte er dann im Juli zurück, weigerte sich aber, die Truppenstärke zu vermindern und so die Last der Bevölkerung wenigstens ein bisschen zu vermindern. Als Napoleon acht Monate später Elba verließ und zu seinem letzten Versuch ansetzte, marschierte Friedrich Wilhelm erneut mit 7 000 Soldaten los, um am Kampf gegen Napoleon teilzunehmen. Er  wurde im Gefecht bei Quatre Bras  getötet.

Heldenstatus bis Mitte des 20. Jahrhunderts

Fortan wurde er auf vielfältige Art und Weise als Held dargestellt und geehrt, mit Denkmälern, Feiern, Gedichten, Reden, Romanen usw., und zwar vor allem in Braunschweig, aber auch in ganz Deutschland.  Erst nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Ideal des „Heldentodes“ ausgedient, so dass dann Friedrich Wilhelm zunehmend in Vergessenheit geriet.  

Die Ausstellung geht nun in ihrem zweiten Teil der Frage nach, aus welchen Quellen sich die Heldenverehrung  speiste und welchen Zwecken sie diente.

 Wofür wurde seine Glorifizierung eingesetzt?                                  

Für „erstarkende nationalistische Tendenzen“

In den Befreiungskriegen erwachte das deutsche Nationalbewusstsein, viele Freiwillige kämpften gegen die französische Fremdherrschaft mit dem Ziel einer nationalen Einheit, die auf  Freiheits-rechten und Demokratie gründen sollte. Diese Zielvorstellungen stießen natürlich mit denen der Fürsten zusammen, die ihre alten Herrschaftsbereiche und –rechte erhalten wollten. Für sie kam es darauf an, den Wunsch nach Einheit möglichst unschädlich zu machen und vor allem Freiheit und Demokratie zu verhindern. Die in Wirklichkeit vorübergehende, punktuelle  Gemeinsamkeit – den Kampf  gegen die Franzosen – galt es zu „verewigen“.  

Da galt es nun, die Gegnerschaft zu Frankreich zu betonen, zu vertiefen und propagandistisch  zur „Erbfeindschaft“  auszubauen. Ulrike Strauß (siehe Folge 1) stellt fest, dass die meisten älteren Veröffentlichungen die Jahre 1806 -1813 „unterschwellig bis offen polemisch-anti-französisch darstellen“.  Sie enthielten darüber hinaus „teilweise auch deutliche, gegen die Judenemanzipa-    tion gerichtete, antisemitische Tendenzen“. Vor allem aber betonten sie das Scheitern des Modellstaates „Königreich Westfalen“, der ja bürgerliche Freiheiten  und so manche sinnvolle      Maßnahme eingeführt hatte (Gerhard Schildt nennt zum Beispiel  die Einführung der allgemeinen Pockenschutzimpfung, die unzähligen Menschen das Leben rettete, vorher aber von der Kirche als Eingriff in Gottes Willen verurteilt worden sei). „Antifranzösisch“  wurde also fest verbunden mit „antiliberal“ und  „antidemokratisch“. Nationales oder patriotisches Denken sollte umgebogen werden in nationalistisches Denken, das sich dann in vielfacher Weise einsetzen ließ. Einen Vorgeschmack für spätere Zeiten gibt ein Schriftsteller, der als Rache für den Schwarzen Herzog forderte: “Bring zehntausend welsche ( französische, A.M.) Leichen / ihm zum Totenopfer dar!“  Solch nationalistisches Denken trieb das deutsche Volk später in die Katastrophe.

„Der Herzog hat bekanntlich keine liberalen Gesinnungen“ (Gesandter des Herzogtums Nassau)

Die Figur des Schwarzen Herzog passte da perfekt. Er hatte gegen Frankreich gekämpft, um seine alte Fürstenposition wieder herzustellen. Er hatte einen tiefen Hass gegen Frankreich und er schaffte  sofort den Code Civil ab, machte die Judenemanzipation rückgängig, führte die Prügelstrafe wieder ein, hob die Trennung von Kirche und Staat auf, ebenso  die Trennung von Justiz und Verwaltung.  Nicht einmal die preußischen Reformen scheinen dem Herzog zu denken gegeben zu haben, ein   sehr gemäßigtes, aber  erfolgreiches Projekt.  Hätte er überlebt und noch einige Jahre regiert, wäre er vielleicht ähnlich gehasst  worden wie später sein Sohn Karl II., der bekanntlich aus Braunschweig verjagt wurde.

Wer also liberale und nationale Ziele verwirklichen wollte, konnte diesen Helden nicht gebrauchen. Für diejenigen aber,  die all das verhindern wollten, war er als Held sehr nützlich. 

(In der Ausstellung wird ein zweites Motiv der Glorifizierung genannt, auf das hier nicht näher eingegangen werden soll: die Furcht vor Verlust der Selbständigkeit des Herzogtums, die nach dem Tod Herzog Wilhelms 1884 neue Nahrung bekam und zu einer Neubelebung des Heldenkults führte.)

„Die Deutung Friedrich Wilhelms als „Held“  … unterstrich die Verbindlichkeit des Vorbildes         und erklärte es zum Orientierungspunkt nachfolgender Jugend. Erklärtes Ziel war es, deren Entschluss zu stärken,  ‚nicht zurückzubleiben hinter den Vätern‘ “ .                           

Was Angela Klein (Auf dem Weg nach Waterloo… Der Schwarze Herzog, S.235) über den „lyrischen Patriotismus“  feststellt, zeigt auch ganz allgemein, was durch die „Verheldung“ erreicht werden sollte: der „Held“ war ein starkes Instrument der Propaganda, das vor allem junge Menschen auf ein bestimmtes Denken ausrichten sollte  - was ja leider auch nachhaltig gelang, bis nach zwei Weltkriegen der „Heldenbedarf“ entfallen war.

Was sollte für uns in Braunschweig aus diesen Erkenntnissen folgen?  Gar nichts? Oder – falls doch – was sollte geändert werden?

(dritte Folge)