Der Schwarze Herzog – doch kein Held! (1)

Die doppelte Klitterung: Der "Schwarze Herzog" Friedrich Wilhelm als "Held" vor dem "Schloss"

War der „Schwarze Herzog“ nun ein Held oder nicht?

Die Ausstellung des Landesmuseums beantwortet diese Frage klar:

„Nach einem Blick auf seine Biographie lautet die Antwort aus heutiger Perspektive: nein.  Weder in seiner Persönlichkeit noch in seinem Wirken lässt sich für unsere Augen Helden-haftes erkennen.“

Worauf stützt sich dieses Urteil?

Immerhin hatte Friedrich Wilhelm auf eigene Faust eine von ihm angeworbene Truppe von etwa 2000 Mann in 14 Tagen 500 Kilometer durch das französisch besetzte Norddeutschland geführt, ohne dass die französisch geführten Truppen ihn daran hindern konnten. Das war ohne Zweifel eine kühne Aktion, die in großen Teilen des besetzten Europas Beachtung fand. Zwar ging die Erwartung Friedrich Wilhelms, eine Aufstandsbewegung auszulösen, nicht in Erfüllung, dennoch versagte ihm wohl nicht einmal Napoleon eine gewisse Anerkennung als Soldat: „Nennen Sie mir einen, der einen Rückzug machte, wie der von Böhmen nach der Nordsee war“, soll er nach dessen Tod gesagt haben.

 Dass das aber nicht reicht für einen „Helden“, wird deutlich angesichts der folgenden Zusammenhänge:

⃝   Friedrich Wilhelm war sehr einseitig aufs Militärische fixiert, wies allerdings selbst in diesem  Bereich erhebliche Schwächen auf. Die Preußen machten ihm große Vorwürfe wegen seiner eklatanten taktischen Fehler beim Kampf um Lübeck, die Briten zweifelten an seinem „militärischen Führungspotential“ und entzogen ihm nach seiner Flucht nach England die Verfügungsgewalt über sein Korps und auch der Freiherr vom Stein warnte vorsorglich, man müsse Friedrich Wilhelm im Falle des Kampfes eine verantwortliche Per- son „beiordnen“, da es ihm an „Besonnenheit im Gefecht fehle“.

⃝  Friedrich Wilhelm kämpfte auch nicht allgemein für Freiheit, schon gar nicht für bürgerliche Freiheiten (die den vielen freiwilligen Kämpfern gegen Napoleons Herrschaft vorschwebten); dem Schwarzen Herzog ging es vielmehr um die Wiederherstellung seines Herzogtums Braunschweig. Das hatte Napoleon höchstpersönlich aufgelöst und dem Gesandten Braunschweigs vorgehalten, dass Herzog Carl Wilhelm Ferdinand 1792 in seinem berühmt-berüchtigten Manifest mit der Vernichtung der Stadt Paris gedroht hatte, falls dem französischen König auch nur ein Härchen gekrümmt werde (Napoleon: „Wenn ich die Stadt Braunschweig zerstören und keinen Stein auf dem andern ließe, was würde Ihr Fürst sagen? Das Wiedervergeltungsgesetz, erlaubt es mir nicht, zu Braunschweig zu tun, was er meiner Hauptstadt thun wollte?“).

Friedrich Wilhelm wollte dies schlicht rückgängig machen. Gegenüber den „Kameraden“ seines Korps  machte er das sehr deutlich:

„Ihr verlaßt die väterliche Heimath, um einem durch Gewalt mißhandelten Fürsten (also ihm selber, A.M.) sein ihm geraubtes, väterliches Erbteil wieder erobern zu helfen.“

⃝  Das wurde auch den Bürgern Braunschweigs nach dem Einzug Friedrich Wilhelms im Dezember 1813 schnell deutlich (Napoleon war fürs Erste besiegt und nach Elba verbannt). Hatten sie den Einzug noch bejubelt, so drehte sich innerhalb sehr kurzer Zeit die Stimmung. Schon im Frühjahr 1814 „wurde grundlegende Kritik öffentlich und (es zeigte sich) Enttäuschung, etwa ueber die weiter bestehende hohe Steuerlast“ (Text Ausstellung). Eine damalige Stimme fasst das sehr emotional zusammen:

„Verlohren ging auf immer die harmonische Stimme des Volkes … und der hochgefeierte Namen wird nur noch schmerzlich von dem bitter getäuschten Lande genannt.“ (Ausstellung)

Was war passiert?

In der „Franzosenzeit“seit 1806 waren viele von den Bürgern begrüßte Reformen umgesetzt worden: Einführung des Code Civil, Abschaffung der Adelsprivilegien, Trennung von Kirche und Staat (Schulwesen!), Emanzipation der Juden im Herzogtum, Gewerbefreiheit und Vieles mehr. Dem entsprechend gab es zunächst echte Begeisterung fuer den neuen Herrscher Jerome  (Bruder Napoleons), die allerdings zunehmend abkühlte, als hohe Steuern verlangt wurden, viele Bürger als Soldaten zwangsrekrutiert wurden usw. Die genannten Errungenschaften wurden nun aber vom Schwarzen Herzog größtenteils schnell wieder abgeschafft   und

„Vieles von dem, was das Königreich Westfalen (also „Jeromes Staat“, A.M.) wohl überlegt abgeschafft hatte, wiederhergestellt“ (Ulrike Strauß in ihrem sehr informativen Beitrag zur „Franzosenzeit“ in der „Braunschweigischen Landesgeschichte“, S.691 ff).

Sogar die Prügelstrafe (mit der neunschwänzigen Peitsche) wurde eingeführt. Hinzu kamen hohe Steuern, die mit recht drastischen Mitteln eingetrieben wurden, hauptsächlich für die Aufstellung eines überdimensionierten Heeres von etwa 10 000 Mann.                

Offensichtlich hatten die Bewohner des Herzogtums andere Vorstellungen von Freiheit.

Warum wurde der Schwarze Herzog trotz alledem nach seinem Tod viele Jahrzehnte lang (bis Mitte des 20. Jahrhunderts) – nicht nur in Braunschweig - zum Helden glorifiziert? 

(nächste Folge)