Von heiligen Kühen und Mondkälbern

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Fortan öffnen die Schloss-Arkaden ihren Schlund um Kunden in sich einzusaugen und geldlich erleichtert aber einkaufstütenbeschwert wieder auszuspeien. Eine Konsummaschine, deren Arbeitskräfte ebensowenig das Tageslicht sehen wie Arbeiter in einer Fabrik.

So billig wie das verarbeitete Material Inner- und Außerhalb des Einkaufskörpers der Mall und seiner angehängten Fassade, hat man es sich selbst nicht vorgestellt, wenn man mit Shopping-Zentren wenig anfangen kann. Und man fragt sich, wie es möglich ist, dass in solch einem Riesenklotz auf den Wegflächen beengte Verhältnisse vorherrschen. Wie in einem Schuhkarton ist Geschäft auf Geschäft übereinander gestapelt. Alles klein/klein und vollgepfropft. Großzügigkeit wird im Braunschweiger ECE nicht für wichtig genommen.

Auch mit der „Elegance“ ist es nicht weit her: aus Einfallslosigkeit wählte man als Ornamente – hier architektonisch ohne Funktion und zu purem Schmuck verkommen – Mäander und bringt sie mit Hilfe von Baumarktschablonen auf andere einfallslose Materialien. Mit Geschmack hat das wenig zu tun, aber viel mit einer zu teuren Billigkeit. („Kulturschock/zu amerikanisch“, Fetzen aus einem Teenager-Gespräch.)

Nicht einmal die grüne kupfern eingefasste Außenhaut ist übergroße Badezimmerkachel aus 1000 und einer Nacht, sondern grün bedruckte Tapete hinter Glas oder Acrylglas. Daran appliziert: leuchtende Marken-Label, die um Aufmerksamkeit buhlen.

Nichts wirkt so alt wie ein Shopping-Center kurz nach seiner Eröffnung!

Aktionen auf dem Vorplatz der Schloss-Arkaden

Ein Mondkalb ist eine unter ungünstigen Einflüssen des Mondes gezeugte Missgeburt, die keine Knochen hat; ein amorpher Fleischklumpen.

In Indien gibt es heilige Kühe, die abgemagert und verwahrlost auf den Straßen herumlungern, weil sie eben genauso wenig wohlhabend sind, wie die meisten Inder. (Herumlungern, das bedeutet nicht konsumieren, ist im Shopping-Center nicht erwünscht!)

Inmitten dieser Assoziationskette befindet sich das alt-testamentarische „Goldene Kalb“, das für nutzlosen Mammon (aus dem chaldäischen für Reichtum, Geld und Gut) steht, und die Menschen durch seine Anbetung gottlos werden lässt.

Zusammen mit der Sambattac-Trommelgruppe formierte sich das Aktionstheater „Heiliger Konsum“, welches aus Engagierten verschiedener Bürgerinitiativen und der GRüNEN bestand und zog tanzend und anbetend seine Runden auf dem so genannten Schlossplatz, wo Besucher die maschinell geschnittene Fassade, die mit aufgearbeiteten klassizistischen Spolien versetzt ist, bewundern können (der herzogliche Teil der Außenhaut, die „Welfenhaut“).

Geboren wurde die Idee für das formschöne Glamour-Kalb im Innersten der Schlossparkfreunde, die pünktlich zur Eröffnung ihre angestammte Versammlungsstätte mit 50er Jahre Anmutung verloren haben (Europacafé), weil dort ein Investor unter Abriss der Steinwegpassage und ‚Schleifung‘ des Platanenhügels – einem letzten Rest des ehemaligen Schlossgartens – demnächst ein auf das Center antwortendes Schloss-Karree bauen will.

Viele ‚Touristen‘ schossen Erinnerungsfotos und nahmen im Allgemeinen die verteilten Zehn Gebote des ECE-Centers schmunzelnd an. (Das fünfte Gebot: „Du sollst nicht demonstrieren, protestieren, musizieren, betteln oder arm sein.“)

Auch die extra für die Eröffnungen gegründete „Schloss-Allianz 1:1 original“, die sich künstlerisch-parodistisch mit dem Thema Widerspruch zwischen Versprechen und Wirklichkeit befasste, verteilte Preisausschreiben mit einer „Welfen-Rallye“. Teilnehmende sollten im Center nach rekonstruierten architektonischen Elementen aus dem Ottmerschloss suchen. (Manche glaubten sich fündig und wollten eine Silbermedaille mit dem Konterfei des Oberbürgermeisters gewinnen, andere suchen noch immer erfolglos.)

Nach den Aktionen schlich sich das Gefühl ein, dass der Platz für lange Zeit nicht mehr auf so phantasievolle Weise „bespielt“ werden wird.

Mit welcher Fassaden-Umgebung korrespondiert das „Goldene Kalb“ als neues Wahrzeichen der Stadt Braunschweig am besten? Entscheiden Sie selbst.

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Zunächst: Das „Goldene Kalb“ vor der Eiermannfassade des Galeria Kaufhofs.

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Später: Das „Goldene Kalb“vor dem Rizzihaus

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Und zuletzt: Das „Goldene Kalb“ vor der Schlossfassade