Äthiopien mitten in Braunschweig. Köstlicher Kaffee-Genuss im Magniviertel

Foto: Links Liya Taera und Mitarbeiterin Meseret

http://www.kaffeezeremonie.de

Verweilen Sie doch mal während der Adventszeit in der Kaffee-Zeremonie (Am Magnitor 12). Schon wenn man die Tür zum Kaffee nur einen winzig kleinen Spalt öffnet, zieht einem der Kaffeeduft in seinen Bann. Und erst im Inneren des Cafes ist ein Kaffeekenner beglückt von sechs hervorragenden äthiopischen Edelkaffees, die milde bis ausgewogene Säure beinhalten,

Foto: Ketema Wolde Georgis

sich blumig und würzig darstellen, in der Stärke variieren und sowohl ein nussiges Aroma besitzen als auch Assoziationen zu Rauch und Harz schaffen können. Ein Greenhorn hingegen wird in dieser Umgebung zum Genießer.

 Inhaber dieses kleinen Kaffees sind Ketema Wolde Georgis und seine Frau Liya Taera. Beide kommen aus Äthiopien, der Wiege des Kaffees, und sie haben ohne Zweifel die hohen Weihen der Kaffeekultur Äthiopiens erhalten. Während Frau Taera emsig an der Kaffeemaschine zu Gange ist und Mitarbeiterin Meseret mit einem freundlichen Lächeln einen Gast mit einem hervorragenden Mokka verwöhnt, versuche ich diesem sympathischen Herrn mit krausem weißem Schopf zu entlocken, was seine Familie bewog, dieses wunderschöne afrikanische Land zu verlassen, um sich in Braunschweig niederzulassen:

 

Ketema Wolde Georgis war ein junger Mann von 22 Jahren und Student der Ingenieurswissenschaften im Maschinenbau als Kaiser Haile Selassie 1974 durch das Militär gestürzt wurde. Ein Jahr später wurde die Monarchie abgeschafft. Die Führung des Landes übernahm Major Mengistu Haile Mariam. Er strebte an, mit sowjetischer Hilfe eine sozialistische Volksrepublik zu gestalten. Der Anspruch, die Armen des Landes an Wohlstand und Bildung teilnehmen zu lassen, wurde restriktiv umgesetzt und erfolgte in den Wirren der Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen Kräften und Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Interessen zu Lasten der Wirtschaft und des Wohlstandes der ehemaligen Elite und schränkte deren Macht ein. Insbesondere die Intelligenz Äthiopiens widersetze sich der Politik Mengistu Haile Mariams und organisierte sich in illegalen Parteien, wie  Ketema Wolde Georgis in der Äthiopischen Revolutionären Volkspartei, die vorerst die Absetzung des Militärs und die Einsetzung einer zivilen Übergangsregierung forderte.

Ende 1988 spannt sich die Situation um Ketema Wolde Georgis immer mehr zu. Er ist mittlerweile leitender Ingenieur in einer amerikanischen Firma, die Kronkorken herstellt. Er ist verheiratet und stolzer Vater einer Tochter. Bis zu diesem Zeitpunkt ist er wiederholt verhaftet worden. Er sieht einer Gerichtsverhandlung entgegen, die das Strafmaß für seine politischen Aktivitäten zu bemessen hat.

In dieser Situation entscheidet er sich, von einer Dienstreise nach Braunschweig nicht mehr nach Addis Abeba zurückzukehren. Diesem Ereignis folgten zwei sehr schwere und ein schweres Jahr. Sein Umfeld, in dem er in Wolfenbüttel lebte und die deutsche Sprache sind ihm nicht vertraut, das Asylverfahren ist zermürbend und seine Familie lebt viele Kilometer entfernt von ihm in Ostafrika.

Anfang 1990 gelingt seiner Frau Liya Taera die Ausreise nach Deutschland. Dem voran ging eine intensive Intervention der Evangelischen Erwachsenenbildung Hamburg (an die sich Ketema hilfesuchend gewendet hatte) bei den entsprechenden staatlichen Stellen Äthiopiens, Frau Taera als Vertreterin der Mekane-Yesus Kirche zu einem internationalen Treffen nach  Berlin zu senden.  Die Eheleute waren nun vereint, jedoch ohne Töchterlein Tsion. Und nochmals vergingen 2 Jahre bis die Großmutter Tsion in die USA bringen konnte, von wo aus Verwandte sie nach Braunschweig begleiteten. Zu diesem Zeitpunkt war Ketema Wolde Georgis in Deutschland als politischer Verfolgter anerkannt. Asyl wurde gewährt. Einer offiziellen Arbeit in Braunschweig und Umgebung stand demzufolge nichts mehr im Wege und positive Bescheide auf Initiativbewerbungen ließen Hoffnung aufkommen. Im Laufe aller folgenden Vorstellungsgespräche wurde ihm dann jedoch mehr oder weniger offensichtlich vermittelt, dass ein schwarzer Ingenieur aus einem Entwicklungsland (trotz hervorragenden Beherrschens der deutschen Sprache), nicht den Vorstellungen der Unternehmen entsprach. Ketema Wolde Georgis musste also einen 2. Neuanfang wagen.

Der Verein „REFUGIUM Flüchtlingshilfe e.V. Braunschweig" war schon bald nach seiner Ankunft in Deutschland ein Anlaufpunkt für ihn gewesen. Vorerst war er hier ehrenamtlich tätig. Mit der Unterstützung seiner Vereinsmitglieder, von denen er insbesondere Sigrid Propst liebevoll erwähnt, bewirbt er sich beim Land Niedersachsen um einen Job im Verein und ist erfolgreich. Bis heute ist er dort eine feste Bank für alle Ausländer im entsprechenden Gebiet, die Asyl beantragt haben. Er dolmetscht, formuliert, organisiert und streitet für sie in deutschen Ämtern. Seit 2001 bis 2012 hat er zudem engagiert Sozialarbeiter für Migranten an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel ausgebildet.

Frau Liya hingegen war sehr unglücklich mit ihrem Job bei McDonald's. Demzufolge wurde der Gedanke eines kleinen Kaffeevertriebs geboren. Vater Ketema organisierte mit der äthiopischen Familie den Ankauf der grünen Bohnen von kleinen Einzelbauern und Genossenschaften sowie die Rösterei im Land und Mutter Liya stand 2007 mit weichen Knien und grummelnden Magen auf Grund der Unsicherheit des Gelingens hinter einem kleinen Verkaufsstand auf dem Weihnachtsmarkt in Wolfenbüttel und bot Beutelchen äthiopischen Kaffees dar. Wie der Kaffeeduft des ebenfalls zu erwerbenden köstlichen Heißgetränks verbreitete sich auch die Kunde von dessen Verkauf und bald war der Vorrat aufgebraucht. Frau Liya konnte nun nur noch auf einen baldigen Internetvertrieb des Kaffees verweisen. Der wurde zwar umgesetzt, war jedoch wenig kommunikativ und dadurch nicht sehr zufriedenstellend für sie. Endlich kam dann 2008 dieses großartige Angebot, am Magnitor 6 ein winzig kleines Stübchen, in das genau 3 Tische und ein Kaffeethresen passten, zu mieten und somit ganzjährig Kaffee anbieten zu können. Bald hat sich dort ein Stammpublikum gebildet, und es deutete sich eine noch größere Fangemeinde an, die vorerst jedoch virtuell aufgrund der Enge des Raumes verbleiben musste. 2011 dann wurden die benachbarten Räumlichkeiten frei. Das kleine äthiopische Kaffee konnte umziehen und so gestaltet werden, wie es uns heute vertraut ist.

http://www.kaffeezeremonie.de

Seit 2012 röstet Ketema eigens nur für das Kaffee seiner Frau die grünen Bohnen. Jede Bohne muss, sagt er, ausgereift sein, damit der Kaffee sein volles Aroma entfalten kann. Das ist gewährleistet, da der Kaffee für ihn mit der Hand und nicht wie in den großen Kaffeeplantagen üblich mit der Maschine geerntet wird. Zudem kommt sein Kaffee aus folgenden Gebieten Äthiopiens: Yirgacheffee, Limu, Tepi, Harar, Sidamo und aus dem südwest-äthiopischen Regenwald.  Die Bedingungen, unter denen die Kaffeesträucher wachsen und die Bohnen reifen, sind sehr unterschiedlich und bestimmen wesentlich den Charakter des Kaffees. Eine individuelle, standortbezogene Röstung rundet das Aroma ab und führt so zu vollkommenem Kaffeegenuss.

Jeden Samstag zwischen 11:00 Uhr und 15:00 Uhr röstet Ketema Wolde Georgis in der Kaffeezeremonie und wenn nach der Lektüre dieses kleinen Berichts noch Fragen offen geblieben sind, beantworten Liya und Ketema sie ihnen insbesondere am Samstag aber auch an allen anderen Tagen gern – bis auf den Montag. Da gönnen sich beide einen freien Tag.

 


Kommentare   
 
0 #1 Marc 2014-05-18 14:22
Ich war gestern dank Empfehlung im “Kaffee Zeremonie“, trank hervorragenden Kaffee, aß tollen Schmandkuchen, kaufte mir Kaffeebohnen und möchte mehr über den Kaffee, das Kaffee (Café ;-) und seine Betreiber erfahren.

Ersteres ist für mich nach diesem Bericht noch zu ergänzen. Die beiden anderen Aspekte sind unerwartet ausführlich und interessant ausgeführt. Vielen Dank dafür!

Das hat mich animiert, mich regelmäßig in “Zeremonie“ zu begeben - was ich als Kaffee-Fan bzgl. des Kaffees durchaus wörtlich nehme - und mit den Georgis ins Gespräch zu kommen. Ich wüsste z.B. gern viel mehr über Bedingungen des Anbaus und der betreffenden Kaffeebauern und glaube, das geht vielen typischen Kunden so (Bio?, fair gehandelt?, CO2-Belastung?, das Übliche für bewusste Kunden eben).

Ich finde, solche Leute verdienen jedwede Unterstützung, denn sie bereichern unsere (Um-) Welt.