Bildungsstreik – diese Bildungspolitik ist erwünscht

alt


Die letzte Woche war bildungspolitisch ereignisreich. Bundesweit vernetzte Schüler mit Eltern und Lehrern, Auszubildende und Studenten gingen auf die Straße. Sie wollen sich diese Bildungspolitik nicht mehr bieten lassen, sie wollen Bildung und keine Auslese, um ausschließlich wirtschaftskompatibel zu sein.

Sie wollen als Menschen behandelt werden und nicht als Humankapital. Oder wie Eberhard Brandt (GEW Niedersachsen ) es ausdrückte:

alt


Das ist Lern-Bulimie: schnell lernen, schnell loswerden. Das ist zum Kotzen!“

Dieser Bildungsstreik mit der Mittwochdemo als Höhepunkt war deutlich politischer als der im November 2008. Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise, verbunden mit der Banken-Systemrettung über hunderte Milliarden Bürgschaften weist darauf hin, dass sie, die jungen Menschen diese Schulden zu tragen haben, dass für ihre Bildung, ihre Zukunft kein Geld sondern nur noch Schulden da sind, dass sie kaum Chancen haben ein gesichertes ökonomisches Leben zu führen, Familien zu gründen, Kinder in gesicherten Verhältnissen groß zu ziehen und sich etwas Wohlstand zu gönnen.

Diese Sorge trieb in Braunschweig auch viele Eltern auf die Straße. Braunschweig war also hoch aktiv dabei. Wieder waren es etwa 10.000 Demonstranten, die durch die Straßen zogen und sich am Kohlmarkt zu zwei Kundgebungen versammelten.

alt
alt

 

alt

 

alt

 

alt

 

alt

 

alt


Banken wurden mit Bananen überfallen, das Rektorat der TU kurzfristig besetzt.

alt
Zerstörung der Gesamtschulen durch Ministerpräsident Wulff

Kommentar
Alles ist bekannt, und das seit Jahren. Die Zeitungen waren diese Woche voll, und alle äußerten Verständnis für die Sorgen von Schülern, Auszubildenden, Eltern, Lehrern, Professoren und Studenten. Gute Bildung wollen schließlich alle, vor allem viele Politiker und weite Bereiche der Wirtschaft und deren Verbände, einschließlich vieler Stiftungen. Vorneweg die Bertelsmannstiftung und die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“. „Bildung hat oberste Priorität“, „ohne Bildung keine Zukunft“, „Bildung ist unsere einzige Ressource“, „wir sind eine Wissensgesellschaft“, „Gerechtigkeit ist eine Frage der Chancengleichheit“, „frühkindliche Bildung“ usw, usw. Diese Aufzählung richtiger Erkenntnisse ließe sich fortsetzen. Man könnte zu Recht annehmen, dass Bildung „systemrelevant“ (siehe dazu Heribert Prantl) ist. Ein Wort, das bei der Rettung der Banken gerne genutzt wurde, um dem Bürger deutlich zu machen, wie notwendig die unermessliche Verschuldung ist. Bildung ist, trotz aller Sprüche, anscheinend nicht „systemrelevant“, sonst wäre auch hier das Geld vorhanden, und zwar schon seit Jahren.

Die oben genannten Wahrheiten kommen natürlich aus aller Munde – das Problem dabei: Die PR-Maschine der Politik, die Interessenverbände der Wirtschaft und die interessengeleiteten Medien haben sich diese Wahrheiten zu eigen gemacht und nutzen sie beliebig selber. Nebelkerzen sind wichtig im politischen Geschäft. Dass nicht gemäß der Erkenntnis, sondern entgegengesetzt gehandelt wird, soll sich im Nebel der bildungspolitischen Worthülsen dem Wähler entziehen.

Nun, wenn alles bekannt ist, warum handelt man nicht entsprechend der Erkenntnis. Es ist einfach, die seit vielen Jahren vorherrschende neoliberale Politik will es nicht. Sie kann es nur nicht so deutlich sagen, dass sie gegen Chancengleichheit und „Bildung für alle“ ist, zumal es auch einigen Artikeln unseres Grundgesetzes widersprechen würde. Man muss schließlich Wahlen gewinnen, das Volk bei der Stange halten. Da greift man zu jedem Mittel, auch zum Mittel der Unwahrheit, und schließlich hat man noch Nebelkerzen.

Die TAZ schreibt am 17. Juni über „Die zehn deutschen Bildungskrisen“ und führt diese auf. Eine Krise ist eine „schwierige Situation, Zeit, die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt“ (Duden). Nimmt die Entwicklung einen dauerhaft negativen Verlauf, so spricht man von einer Katastrophe oder einem Niedergang (Wikipedia). Hier muss der TAZ, trotz weitgehend richtiger Analyse, widersprochen werden. Unser Bildungssystem ist nicht nur in einer Krise, sie ist eine fortlaufende Katastrophe.

Eine Katastrophe aus der Sicht der betroffenen jungen Menschen, jedoch nicht aus Sicht der meisten neoliberalen Verantwortungsträger. Die wollen es so wie es ist, auch in der dauerhaften Entwicklung. Über interessengeleitete Bildungspolitik lässt sich schließlich die von Rot-Grün eingeleitete und unter Rot-Schwarz massiv fortgesetzte Spaltung der Gesellschaft auf eine gesicherte, dauerhafte Grundlage stellen. Denn auch die Spaltung der Gesellschaft ist politisch erwünscht. Insofern ist die Bildungspolitik, wie sie seit Jahren betrieben wird, systemkonform, und sie ist schlüssig. Diese Demonstrationswochen hält „man“ schon wohlwollend aus, die sind einkalkuliert; eingepreist, wie man an der Börse sagt. Diese Demos gehören in das System, sind „systemrelevant“, sie werden gebraucht, denn sie beweisen unsere pluralistische, offene und freie Gesellschaft, in der man auch mal Rektorate besetzen und ungestraft mit Bananen Banken überfallen darf.

Das gesellschaftsspaltende novellierte Schulgesetz in Niedersachsen oder die „Bologna-Reform“ oder die Studiengebühren oder Behindertendiskriminierung, oder, oder… sprechen eine Sprache der Ausgrenzung und Selektion, und das ist Klassenkampf von oben. Das ist erwünscht, das ist systemkonform, machen wir uns nichts vor.

Die Freiheit stirbt scheibchenweise, über Jahre. Sie stirbt durch die Arroganz der Macht und durch mangelnde Solidarität der Bürger untereinander. Dieser Bildungsstreik junger Menschen im ganzen Bundesgebiet kann ein Signal sein wieder mehr Selbstverantwortung für die Zukunft zu übernehmen und sie nicht an den Türen der Parlamente abzugeben.

Zum Bildungsstreik siehe auch:
- AK-Schulstreik
- Stadtelternrat Braunschweig
- ASTA der TU-Braunschweig
- GEW-Niedersachsen