Videoüberwachung und Demokratie

Über die Videoüberwachung im öffentlichen Raum wird in Politik und Öffentlichkeit diskutiert. Insbesondere immer dann, wenn gerade ein Anschlag verübt wurde, wie z. B. auf die unschuldigen Menschen auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin. Die Diskussion ist etwas verworren. Einigkeit besteht noch nicht mal bei der Behauptung, dass die Kameraüberwachung der Verhinderung von Straftaten dient, sondern hauptsächlich Ihrer Aufklärung. Fühlen sich Menschen sicherer, wenn Videokameras installiert sind? Und das zu recht? Und in welchem Kontext steht unsere Freiheit dazu. Haben wir nicht auch ein Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum? Lassen wir doch mal einen Wissenschaftler zu Wort kommen.

"Warum die Demokratie ohne Anonymität nicht funktioniert.
Videokameras, die öffentliche Räume überwachen, ermöglichen immer wieder spektakuläre Fahndungserfolge der Polizei. Gerade in den letzten Wochen hat sich das wieder gezeigt. Deshalb ist es völlig verständlich, dass der Ruf nach einer flächendeckenden, lückenlosen Videoüberwachung des öffentlichen Raums immer lauter wird. Mehr Videokameras sorgen für mehr Sicherheit – das ist die Überlegung, die dahinter steht.
Dagegen sprechen datenschutzrechtliche Überlegungen. Darüber wird politisch debattiert. Viel zu wenig wird aber diskutiert, dass eine flächendeckende Überwachung öffentlicher Plätze und Straßen auch eine Bedrohung für die Demokratie sein kann. Darüber muss gesprochen werden."

"Diese Forderung wird in der politischen Diskussion erhoben. Das ist aber nicht die Konzeption der deutschen Verfassung. Das Grundgesetz will beides: Sicherheit und demokratische Freiheit. Völlige Sicherheit, aber ohne Freiheit wäre verfassungswidrig.

Und umgekehrt gilt das auch: Grenzenlose Freiheit ohne Sicherheit ist ebenfalls nicht mit der Verfassung zu vereinbaren. Das ist wie immer ein ganz schwieriger Balanceakt. Aber wer hat gesagt, dass eine lebendige Demokratie einfach ist?"

Prof. Dr. Dr. Volker Boehme-Neßler ist Jurist und Politikwissenschaftler an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg.


Quelle: Telepolis