Abgelehnt (Nachlese zur letzten Ratssitzung)
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- Veröffentlicht: Sonntag, 23. Dezember 2007 01:00
- Geschrieben von Ingeborg Gerlach
Geschichte wird bekanntlich von den Siegern geschrieben, und die Braunschweiger Zeitung hält sich treu an dieses Prinzip. Mit keiner Silbe erwähnt sie, was in einer Ratssitzung (oder schon in deren Vorfeld) durch den Willen der regierenden CDU/FDP- Koalition abgeschmettert wird - was für viele wünschenswert und was in manchen Fällen durchaus möglich gewesen wäre, wenn, ja wenn nicht ...
Da könnte man mit zwei kleinen Anträgen des Friedenszentrums anfangen, betreffend einen zusätzlichen Gedenkort für nationalsozialistische Gräueltaten und ein zentrales Mahnmal für die Opfer des Bombenkriegs, unter denen sich auch viele Zwangsarbeiter befanden, die in keinem Bunker Zuflucht suchen durften. Das wäre eine Weiterführung des längst versackten (oder willentlich vergessenen) Gedenkstättenkonzepts der Stadt gewesen. Im Kulturausschuss wurden die beiden Anträge „durchgewinkt“; doch schon im Finanzausschuss gingen sie unter. Sie passen halt nicht ins Hoffmannsche Repräsentationsprogramm, das er als Sparprogramm zu kaschieren pflegt.
Aber das waren nur Petitessen. Der dicke Brocken wäre die dringend benötigte vierte IGS gewesen. In Hannover herrscht in diesen Wahlkampfzeiten eine Spur von Tauwetter; man darf auf eine Öffnungsklausel im Niedersächsischen. Schulgesetz hoffen, die es willigen Kommunen im Bedarfsfall erlaubt soll, eine (zusätzliche) Gesamtschule zu errichten. Städte wie Schaumburg, in denen die Kommunalverwaltung mitzieht, stellen bereits heute Haushaltsmittel für einen Planungsausschuss breit, damit dann sofort gehandelt und zum 1. 8. 2008 den Schülern die benötigten IGS-Plätze zur Verfügung gestellt werden können.
In Braunschweig ist man nicht so vorausschauend. Zwar versuchte die SPD, mit einem Stufenantrag, der zunächst die Errichtung einer Dependance vorsah, das Errichtungsverbot zu umgehen, aber selbst eine BIBS-Präambel, die auf eine zeitliche Begrenzung der Dependance hinauslief, vermochte den Antrag nicht mehrheitsfähig zu machen. Genauer gesagt: Die FDP, die schon zusagt hatte, sprang ab. Die vereinte Opposition scheiterte wieder einmal an der Ein-Stimmen-Mehrheit im Rat. Die Verwaltung verschanzte sich hinter dem noch bestehenden Errichtungsverbot und erwähnte nicht, dass andere Möglichkeiten in greifbare Nähe gerückt sind, wenn der Schulträger nur will.
Doch von alldem erfährt der Leser der Braunschweiger Zeitung nichts. Im kommenden Jahr werden wieder einige hundert Fünftklässler nicht in eine Schule gehen können, die den Selektionsdruck vermeidet. In anderen Städten wird man klug die sich bietenden Chancen ergreifen; Braunschweig wird zurückbleiben. In keiner niedersächsischen Großstadt, das kann man jetzt schon prophezeien, wird es Kindern aus Problemfamilien so schwer gemacht werden, ihr Begabungspotential zu entfalten, wie in Braunschweig. Und die Leser der Braunschweiger Zeitung werden von alledem nicht erfahren und sich im Glauben wiegen, ihre Stadt sei Champion in der Extraklasse der Bildung.