Braunschweig hilft sofort

Unter diesem Motto müssen sich jetzt alle „Neukunden“ der ARGE (sprich: Arbeitsgemeinschaft der Stadt Braunschweig) einer 5-tägigen Maßnahme unterziehen, die hauptsächlich dazu dienen soll den in der Informationswoche erhältlichen Antrag auf Harz IV sachgerecht auszufüllen und die Grundzüge des SGB II erklärt zu bekommen...(2 Tage wären dem Zweck angemessener gewesen.)


Im Plauderton und mit unnötigen Kolportagen über das Privatleben diverser Leistungsempfänger, die einerseits bescheinigt bekommen, dass man mit dem Arbeitslosengeld II nur über die Runden kommt, wenn man viele durchaus angemessene menschliche Bedürfnisse, wie zum Beispiel die Teilnahme am kulturellen Leben oder das Bedürfnis sich auch mal etwas schönes zum Anziehen zu kaufen und seine Möbel nicht ausschließlich beim Straßenikea zu beziehen, aufgibt, andererseits aber, über die, durch die Blume, der Unverschämtheit bezichtigten Stromverprasser und Sozialschmarotzer gelästert wird, die sich (insbesondere als Ausländer) ein schönes Leben in Saus und Braus vom Steuerzahler finanzieren lassen. (Was in Braunschweig so alles vom Steuerzahler finanziert wird ist den Unser-Braunschweig-Lesern hinlänglich bekannt.)
Allerdings wurde nicht der Eindruck vermittelt, dass irgendjemand von den Teilnehmern es nun aus lauter Laune auf die „viele Kohle“ abgesehen hätte. Die Leute haben zum Teil ihre privaten Schicksale erzählt, die von Arbeitsplatzverlust kurz vor der Rente über das Alleinerziehen von kleinen Kindern in Phasen der Trennung und ähnliches handelten. Denjenigen, die sich zur überbrückung bis zum ersten Job bei der ARGE melden und auch andere, die die Hoffnung haben einiger Maßen schnell wieder aus der Misere herauszukommen, weil sie sich zum Beispiel selbständig machen wollen oder Ideen haben was sie jetzt anfangen könnten, kam die Informationswoche im Grunde genommen eher als Behinderung, denn als Hilfe vor. Anderen war auch anzumerken, dass sie in ihrer sowieso schon prekären Lage nicht auch noch mehr in ihrem Stolz verletzt werden wollten, indem man ihnen quasi schon von vornherein nicht zutraut einen Antrag auszufüllen.
In Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit bzw. Einkommenslosigkeit, die sich mittlerweile durch alle möglichen Bildungs- und Gesellschaftsschichten zieht sollte auch mal über die Begrifflichkeiten nachgedacht werden: Warum werden Menschen ohne oder mit geringem Einkommen als „sozialschwach“ bezeichnet? Das Geld, das jemand besitzt, soll etwas über die Qualität des Menschen in der Gemeinschaft aussagen? (Man beachte auch die Vokabeln „Vermögen“ oder „Verdienst“.)
Das Arbeitsamt, das jetzt in die Agentur für Arbeit und in die Arbeitsgemeinschaft der Stadt Braunschweig aufgesplittet ist, gehört zwar als solches der Vergangenheit an, hat sich vom bürokratischen Aufwand her aber wohl kaum verändert. Obwohl die meisten Mitarbeiter versuchen ihr Möglichstes zu tun. Trotzdem: für viele wurde die von oben (von wo eigentlich?) verordnete BHS-Maßnahme eher zu einer BBS-Maßnahme – Braunschweig blockiert sofort.