Minister sieht keine Ermittlungsfehler - bei geschlossenen Augen
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 12. Januar 2011 15:07
- Geschrieben von Andreas Matthies
Einige Überlegungen zu den Aussagen des Innenministers von Niedersachsen in der Ausgabe der BZ vom 11.01.2010:
- Herr Schünemann sagt, wenn man die Untersuchung des Vorfalls vom 20.12.
einer anderen Polizeidienststelle übertragen hätte, hätten die
Untersuchungen erst Stunden später aufgenommen werden können. Allerdings: die zwei beteiligten Polizisten waren nach Angaben der BZ vom
Mittwoch, 21. Dezember, nach zwei vollen Tagen immer noch nicht
zum Geschehen befragt worden. Da hatten es die Ermittler also gar nicht
eilig. Obwohl doch auf der Hand liegt, dass bei sofortiger
Befragung die Wahrheit eher ermittelt werden kann, als nach einem
Zeitraum von zwei Tagen. "Unbedachte" spontane Äußerungen wird es so nicht mehr
geben, auch ließen sich die Sichtweisen der beiden Beamten besser
synchronisieren. Das kann übrigens schon dadurch geschehen, dass
die beiden mehrmals über ihre Wahrnehmungen und Gefühle sprechen, es muss also
nicht einmal eine bewusste Täuschungsabsicht dahinter stecken. Um
so etwas zu vermeiden, werden Zeugen eben gleich und unabhängig voneinander befragt - normalerweise.
- Dagegen: als die
Augenzeugen am Unfallort Aussagen machen wollten, wurden sie nach eigenen
glaubwürdigen Angaben von der Polizei bezichtigt, die Ermittlungen
zu gefährden. Warum wurden sie nicht gleich gehört, wo das doch
ganz neue Aspekte für die Ermittlungen eröffnen konnte (was die später
abgefragten Aussagen dann ja auch taten)? Mir scheint das ein
schwerer Kunstfehler zu sein.
- Von mehreren Seiten ist das
Argument Schünemanns, man habe keine Alkoholprobe genommen, weil man
das nur dürfe, wenn es Anzeichen gebe, dass jemand unter
Alkoholeinfluss stehe, schon in Frage gestellt worden. Zu Recht. Es
ist sicher schon dem einen oder anderen so ergangen, dass er irgendwo im
Stadtgebiet in den Nachtstunden in eine Routinekontrolle geraten
ist und pusten musste - ohne dass ihm oder ihr irgendwelche
Anzeichen genannt werden konnten. Mir ist es jedenfalls schon
einmal (wirklich nur einmal!) passiert, was ich übrigens nicht
schlimm fand. Auf jeden Fall aber dürfte das ruckartige Wenden und das Fahren
entgegen der Fahrtrichtung (und das offenbar im Kreuzungsbereich)
bei den gegebenen Wetter- und Straßenverhältnissen durchaus Anlass
für die Vermutung geben, dass vielleicht doch ein kleiner Alkoholeinfluss
gegeben war. Diese Vermutung kann durchaus völlig falsch sein, aber
dann ist es umso besser, wenn sie durch Fakten widerlegt werden
kann.
- Schünemann antwortet auf die Frage nach der Alkoholprobe:
"Die Beteiligten standen unter Schock, daran denkt in so seiner
Situation niemand. Deshalb ist das vermutlich unterblieben." Allerdings: das
Opfer wurde offenbar trotz seines lebensbedrohlichen Zustands und
trotz des von Schünemann genannten Schocks auf Alkohol untersucht,
das bestätigt auch die Staatsanwältin Seel.
Vor allem aber: natürlich standen die zwei beteiligten Beamten unter Schock, denn das hatten sie gewiß nicht gewollt und auch wohl kaum billigend in Kauf genommen. Und natürlich standen auch die ermittelnden Beamten unter einem gewissen Schock, auch, weil sie sahen, dass Kollegen da in eine ganz schreckliche Sache verwickelt sind. Diese sich fast zwangsläufig ergebende emotionale Nähe macht es ja gerade so schwer, objektiv und ohne Ansehen der Person zu ermitteln. Gerade deshalb war es geboten, Ermittler auszuwählen, die zumindest aus einer anderen Stadt kommen. Und selbst die hätten um ihre Professionalität ringen müssen.