Städtisches Museum: Ruth Baumgarte entdeckt die Seele Afrikas

 

Der Direktor des Städtischen Museums Braunschweig, Dr. Peter Joch, vor einem der expressiven Gemälde der neuen Ausstellung „Ruth Baumgarte – Vision Afrika“. Foto: Klaus Knodt

Expressive Farben, große Formate, und immer wieder ein Blick in die Gesichter der Menschen aus Afrika: Das Städtische Museum Am Löwenwall zeigt ab Sonntag, 24. März, rund 70 Werke der Künstlerin Ruth Baumgarte (verstarb im Jahr 2013) unter dem Titel „Vision Africa. Turn of the Fire“. Sie werfen einen völlig anderen Blick auf den Kontinent, als er täglich in den Medien transportiert wird. Das Afrika von Ruth Baumgarte besteht nicht aus fernsehkompatibel aufbereitetem Elend und niedlichen Wildtierdokus. Sondern vor Allem aus transluziden Porträts von Individuen in strahlenden Feuer- und Naturtönen voll archaischer Kraft.

 

Ein paar Kohlestriche, ein bisschen Aquarellfarbe: Mit dem sezierenden Blick eines Fotografen fing Ruth Baumgarte Menschen und Situationen auf ihren vielen Reisen ein. Dabei fotografierte sie nie. Foto: Stadt Braunschweig / Städtisches Museum

„Ein Gegenentwurf zu den Versuchern, Afrika im Bild auf 'Sensationen' hin auszuschlachten“, sagt Museumsdirektor Dr. Peter Joch. Statt episch Landschaften abzubilden, geht Ruth Baumgarte in medias res: 40-mal bereiste die Künstlerin (Studium an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Berlin als Malerin, Grafikerin und Kunsthistorikerin) den für Europäer bis heute oft unverstandenen Kontinent. „Sie wurde auf ihren Reisen nur von einem befreundeten Ehepaar aus Südafrika begleitet. Zwei- oder dreimal erkrankte sie schwer. Doch mit unglaublichem Mut und unvorstellbarer Kraft wollte sie diesen damals oft gefährlichen Kontinent durchdringen“, so ihr Sohn Alexander Baumgarte, der die Kunststiftung seiner Mutter verwaltet.

 

Schauspielerin und Regisseurin Hannelore Hoger („Bella Block“) liest im Rahmen der Vernissage im Städtischen Museum Braunschweig. Foto: Stadt Braunschweig / Städtisches Museum

Rund 1500 Werke schuf die Künstlerin meist nach ihrer Rückkehr aus Ägypten, Äthiopien, dem Sudan, den ost- und zentralafrikanischen Staaten im heimischen Atelier in Bielefeld. Dr. Joch: „Sie hatte Bilder im Kopf und Skizzen im Block. Daraus und aus ihrer Imagination und Phantasie heraus hat sie nach der Rückkehr von ihren Reisen teilweise phantastische Bilder von imaginärer Kraft erschaffen.“ Zuletzt im „Marmorpalast“ in St. Petersburg ausgestellt, reservierte Afrika-Kenner Dr. Joch die Ausstellung für Braunschweig.

Die Zwiespältigkeit des europäischen Blicks auf Afrika, das zu Zeiten ihrer Reisen gern als „schwarzer Kontinent“ pauschal abgetan wurde, manifestiert sich in Details. Das Aussstellungsplakat zeigt einen Mann, dem ein Auge fehlt - „aufgrund unfassbar schlechter medizinischer Versorgung ist der Verlust des Augenlichts nach kleinen Verletzungen noch heute in Teilen Afrikas ein alltägliches Phänomen“, so Joch, der den Kontinent selbst mehrfach bereiste. „Andererseits entzieht sich die dargestellte Person dem Blick des Betrachters, weil man ihr nicht in die Augen blicken kann. Der voyeuristische Blick eines Delacroix funktioniert nicht mehr.“

 

Die Malerin Ruth Baumgarte starb im Jahr 2013. Ihr Sohn verwaltet ihr künstlerisches Erbe in einer Stiftung. Foto: Stadt Braunschweig / Städtisches Museum

Ruth Baumgarte porträtiert, auch das macht die Ausstellung einzigartig, sehr häufig afrikanische Frauen in ihrem Lebens- und Leidensalltag. Als still duldende, aber stolz arbeitende „water carrier“. Als angstvoll verfolgtes Objekt im Triptychon „Turn of the Fire“. Als verzweifelte Mutter neben ihrem armselig gekleideten Kind in „Rest By the Way“. Aber immer belässt sie den ProtagonistInnen ihrer Bilder Würde und Schönheit. Kein europäischer Blick AUF die Menschen des afrikanischen Kontinents, sondern Bilder aus deren Mitte: „Ich kann die Menschen nicht protokollieren“, gestand sie ihrem Sohn, „und die schwüle Hitze Afrikas kann ich nur durch diese Farben ausdrücken.“ Das tat Baumgarte ausgiebig: Für zehn Quadratzentimeter Bildfläche rührte sie bisweilen 4 verschiedene Orange-Töne an.

Wenn Pasolini literarisch den „Atem Indiens“ erfasst hat, dann hat Ruth Baumgarte malerisch die Seele Afrikas abgebildet. Schrill, bunt, widersprüchlich, facettenreich. Und mit einer Wucht, die an Besessenheit grenzt. Die Ausstellung im Städtischen Museum offenbart mehr Geheimnisse eines immer noch fremden Kontinents, als ein Dutzend UNO-Studien. „Nach ein paar Wochen in Ostafrika vergisst man unsere Welt“, sagt ihr Sohn, der sie mehrfach begleitete.

Die geschickte Hängung vieler großformatiger Bilder im Museums-Lichtsaal und den angrenzenden Räumen steigert das Vergnügen am Rundgang. Kohleskizzen der Werkentwürfe werden ebenso gezeigt wie frühere Aquarelle aus den sog. Maghreb-Staaten. Am festlichen Eröffnungsabend am 24. März liest Schauspielerin Hannelore Hoger (Ex-„Bella Block“).

Zur Ausstellung gibt es einen hochwertig produzierten Katalog mit großformatigen Abbildungen und ein umfangreiches Rahmenprogramm. Am Sonntag, 31. März, von 11 bis 14 Uhr, lädt das Städtische Museum zum „fairen Frühstück“ incl. Führung ein. Anmeldungen unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (Kosten Eintritt + 6,- € für Erwachsene, 3,- € für Kinder). Die Trommelgruppe „METRO“ spielt am 10. Mai um 19.00 Uhr im Museum; Eintritt im Museumseintritt enthalten.

Das komplette Besucherprogramm mit allen Rahmenveranstaltungen gibt es unter www.braunschweig.de/kultur/museen/staedtisches_museum/veranstaltungen.htm